Daktyliothēk

[422] Daktyliothēk (griech.), Ringbehältnis, Ringkästchen; insbes. eine Sammlung von Gemmen, Kameen, geschnittenen Steinen, Ringsteinen (Gemmenkabinett), im Altertume meist eine Zierde des Tempelschatzes. Die älteste D. in Rom stammte von Scaurus, Sullas Stiefsohn, her. Mithradates besaß eine reiche D., die sein Überwinder Pompejus nach Rom ins Kapitol bringen ließ und dem Jupiter weihte. Cäsar legte sechs Daktyliotheken im Tempel der Venus Genetrix an, und unter Augustus stiftete Marcellus, der Sohn der Octavia, eine andre in den Tempel des palatinischen Apollon. Als in dem verfallenden römischen Reich auch die Glyptik außer Übung kam, rettete fromme Prunksucht bedeutende Werke dieser Art, um damit Kleinodienkästchen, Reliquienschreine, die Deckel[422] der Ritualbücher und die Kirchengefäße zu schmücken. Petrarca machte in seiner Begeisterung für Überreste alter Kunst zuerst in Italien auf jene wertvollen Kunstprodukte des Altertums aufmerksam. Es legten Daktyliotheken an: die Häuser Gonzaga in Mantua und Farnese in Rom, Este in Modena und Lorenzo de' Medici der Prächtige in Florenz und, als diese zerstört worden, ein späterer Medici eine neue, die Grundlage der noch bestehenden florentinischen, der reichsten unter allen, die gegen 4000 Steine enthält; in Rom außer den Päpsten Julius II. und Leo X. auch der Prälat Maria Piccolomini und die Königin Christine von Schweden (Museum Odescalchi). Gegenwärtig sind die wichtigsten öffentlichen Sammlungen geschnittener Steine: die im Münz- und Antikenkabinett zu Wien, die reichste an sehr großen Kameen in der Nationalbibliothek zu Paris, in der Eremitage zu Petersburg, in der königlichen Bibliothek im Haag, in den Uffizien zu Florenz und im Museum zu Neapel. Unter den Sammlungen geringern Umfangs verdient das Museum in Berlin besondere Erwähnung wegen der mit ihr vereinigten Sammlung von Stosch, die Winckelmann beschrieben hat. – D. nennt man auch eine Sammlung von Abgüssen der Gemmen (Pasten) oder von Kupferstichen, die Gemmen darstellen und zwar entweder Gemmen mit Gegenständen von einerlei Art, z. B. solche mit Bildnissen von Philosophen (von Bellori), Abraxasgemmen (von Chifflet), Gemmen mit Inschriften (von Ficoroni), mit den Namen der Verfertiger (von Stosch), oder die Steine einer ganzen Sammlung, z. B. die Sammlung von Gori in dem Museum Florentinum sowie die von Wicar und Mongez daselbst, die frühern Pariser von Mariette, die des Herzogs von Orléans und die Wiener, non Eckhel in Abbildungen herausgegeben (Wien 1788) und von v. Arneth in den »Monumenten des k. k. Münz- und Antikenkabinetts zu Wien« (das. 1819). Unter den Sammlungen von Abbildungen nach abgegossenen Gemmen (Pasten) ist die Lippertsche in Dresden die berühmteste (s. Lippert 1).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 422-423.
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