Haupt- und Staatsaktionen

[880] Haupt- und Staatsaktionen, Bezeichnung für die Repertoirestücke der wandernden Schauspieler in der Zeit von etwa 1680–1740, einer Zeit, in der die Schauspieler den engern Zusammenhang mit der Literatur verloren hatten und sich ihre Stücke meist auf Grund von auswärtigen Dramen oder von Romanen zurecht zimmerten. Die H. wurden in der Regel nicht gedruckt, sondern waren im handschriftlichen Besitz der wandernden Schauspielertruppen. Sie bestanden bald in vollständig ausgeführten Schauspielen, bald in bloßen dramatischen Entwürfen oder in einem Mittelding zwischen beiden, indem einzelne Hauptszenen[880] ganz dialogisiert niedergeschrieben, dagegen die übrigen dem Stegreifspiel vorbehalten waren, und rührten meist von den Führern der Gesellschaft her. Der Inhalt war in den meisten Fällen abenteuerlich-phantastisch. Dabei war die ernste Handlung mit possenhaften Auftritten des Hanswurstes (Pickelherings, Harlekins) durchflochten oder von besondern burlesken Zwischenspielen unterbrochen. Der Name H. erklärt sich am einfachsten daraus, daß diese Stücke, in denen »große, heldenmütige und tragische Handlungen« dargestellt wurden und durch Rang oder berühmte Taten ausgezeichnete Personen auftraten, den eigentlichen Hauptteil der öffentlichen Vorstellungen bildeten und, dem Inhalt entsprechend, mit möglichster Pracht (»Staat« in diesem Sinne genommen) ausgestattet wurden. Erst seit der Mitte des 19. Jahrh. wurde eine Anzahl dieser Stücke, von denen sich manche handschriftlich auf der Wiener Hofbibliothek befinden, durch den Druck bekannt, z. B. »König Karl XII. vor Friedrichshall« (hrsg. von Lindner, Dessau 1845, und von Heine, Halle 1888). Vgl. Devrient, Geschichte der deutschen Schauspielkunst, Bd. 1 (Leipz. 1848); Weiß, Die Wiener H. (Wien 1854); Heine, Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched (Halle 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 880-881.
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