Luxus

[886] Luxus (lat.), der Aufwand für den feinern Lebensgenuß, der über den durchschnittlich üblichen oder auch notwendigen Lebensbedarf hinausgeht. Da letzterer kein feststehender ist, so ist auch der Begriff L. ein durchaus relativer, und Roscher meint mit Recht, jeder einzelne, jeder Stand, jedes Volk und jedes Zeitalter nenne diejenige Konsumtion L., die ihm selbst als entbehrlich erscheine. Der L. an und für sich ist nicht unberechtigt. Er wirkt wohltätig, wenn er auf gefunden und geschmackvollen Lebensgenuß gerichtet ist, dem Sinne für Schönheit und Reinlichkeit wie einer echten Sittlichkeit dient und nachhaltig das Lebensglück erhöht, ohne daß andre dadurch geschädigt werden. Zu verwerfen ist nur der üppige, sinn- und geschmacklose L., der die Kostspieligkeit als Hauptsache ansieht und raffinierte, verweichlichende Genüsse Weniger durch das Elend Vieler erkaufen läßt. Je nach den allgemeinen Anschauungen über Sittlichkeit und der Kulturstufe, auf der ein Volk steht, tritt der[886] L. in verschiedenen Formen auf. Bei niederm Stand wirtschaftlicher Entwickelung ist der L. vorzugsweise Massenluxus, den größere Grundbesitzer durch großen Aufwand für Bediente und zeitweise durch kostspielige Feste treiben. Dieser Gestalt des L. begegnen wir auch heute noch in denjenigen Schichten des Volkes, die längere Zeit hindurch ihren Lebensunterhalt möglichst knapp bemessen, um dann gelegentlich sich gehörig austoben zu können. Die höhere Kultur bringt den L., der das Leben verschönert und mit größerer Behaglichkeit ausstattet, wegen seiner größern Reize einen wirksamen Sporn für sittliche, wirtschaftliche Betätigung bildet und auch mehr den untern Klassen des Volkes zugänglich wird. Man suchte in früherer Zeit den L. durch Luxusgesetze oder Aufwandgesetze (Luxusverbote) zu beschränken, so in Rom, als seine Herrschaft bei großer Einfachheit der Sitten noch keine große Ausdehnung angenommen hatte, ferner im Mittelalter bis zum 18. Jahrh. in Deutschland durch eine große Zahl von Reichspolizeiordnungen und partikularrechtliche Bestimmungen, in Frankreich, Schweden etc. Meistens sollte der Aufwand für Kleider, Gastmähler und Begräbnisse in Schranken gehalten werden, teils aus moralischen oder handelspolitischen Gründen, teils um die Verarmung zu hindern oder eine Abgrenzung der Stände voneinander äußerlich zu ermöglichen. Bei einigermaßen entwickeltem Verkehr werden solche Verbote unausführbar, weil die Beaufsichtigung viel zu lästig, kostspielig und dabei unzulänglich ist. Tüchtige Bildung und Gesittung, gehörige Pflege von Sparanstalten und eine solide Wirtschaftspolitik werden alsdann eine bessere nachhaltige Wirkung ausüben als Gesetze, die so leicht zur Umgehung anreizen. Ein L. freilich, der die öffentliche Sittlichkeit verletzt, ist zu verhindern. Vgl. Roscher, Ansichten der Volkswirtschaft (3. Aufl., Leipz. 1878, 2 Bde.); Herrmann, Die Launen der Pracht (in den »Miniaturbildern aus dem Gebiet der Wirtschaft«, neue Ausg., Halle 1876); Baudrillart, Histoire de luxe privé et public (Par. 1878–80, 4 Bde.); Laveleye, Le luxe (das. 1887; deutsch, Neuwied 1893); Kambli, Der L. nach seiner sittlichen und sozialen Bedeutung (Frauenfeld 1890); W. Bode, Über den L. (Leipz. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 886-887.
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