Postulāt [1]

[226] Postulāt (lat.), Forderung, Forderungs- oder Heischesatz. Für den Aufbau der Geometrie sind außer der Erklärung der Grundbegriffe noch gewisse Postulate nötig, d. h. man muß die Forderung aufstellen, daß gewisse Konstruktionen, die man nicht auf noch einfachere Konstruktionen zurückführen kann, ausführbar seien. Solcher Art sind die von Euklid im Anfang seiner Elemente aufgestellten Postulate: Man soll von jedem Punkte nach jedem andern eine gerade Linie ziehen können; man soll jede begrenzte gerade Linie geradlinig verlängern können; man soll um jeden beliebigen Punkt mit jedem beliebigen Halbmesser einen Kreis beschreiben können. – In der Philosophie ist P. im allgemeinen eine unbewiesene oder unbeweisbare Annahme, deren Anerkennung verlangt wird. In der Philosophie Kants heißen deswegen die Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit Postulate der praktischen Vernunft, weil ihre Realität zwar nicht logisch bewiesen werden kann, aber doch von dem Menschen als einem handelnden Wesen anerkannt werden muß.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 226.
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