Reichsvikare

[746] Reichsvikare (Vicarii oder Provisores imperii), im alten Deutschen Reiche die zur einstweiligen Verwaltung der königlichen Würde von Erledigung des Thrones bis zur Neuwahl, dann bei Minderjährigkeit, langer Abwesenheit oder sonstiger Verhinderung des Kaisers berufenen Personen. Schon die Goldene Bulle von 1356 erkannte es als altes Herkommen an, daß der Herzog von Sachsen in den Landen sächsischen Rechts und der Pfalzgraf bei Rhein in den schwäbischen, rheinischen und fränkischen Landen das Reichsverweseramt von Rechts wegen zu führen habe. Die R. übten insbes. die oberstrichterliche Gewalt an Stelle des Kaisers aus; sie errichteten zu diesem Zwecke Reichsvikariatshofgerichte und ermächtigten gemeinsam das Reichskammergericht zur Fortsetzung seiner Tätigkeit. Durch Herkommen stand ihnen auch das Recht zu, Reichstag zu halten und einen bereits bestehenden Reichstag fortzusetzen. Als die deutsche Nationalversammlung 1848 ein neues Deutsches Reich herzustellen sich bemühte, entschied sie sich 28. Juni für Einsetzung eines Reichsverwesers an Stelle des Bundestags und ernannte 29. Juni den Erzherzog Johann von Österreich (s. Johann 19) zum provisorischen unverantwortlichen Inhaber der deutschen Zentralgewalt unter dem Titel »Erzherzog-Reichsverweser«. Am 20. Dez. 1849 legte dieser aber sein Amt bereits wieder nieder.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 746.
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