Tennis

[412] Tennis (engl.), Ballspiel im Ballhaus, in Frankreich Jeu de la courte paume genanntes Ballspiel. Wesentliches Erfordernis dieses Ballspiels ist ein besonderes Gebäude (tennis court, jeu de paume, Ballhaus), etwa 29 m lang, 10 m breit, mit einer Umfassungsmauer von mindestens 7 m Höhe, auf der das Dach tragende Pfeiler ruhen. Im Innern des Gebäudes, dessen Fußboden, sein gepflastert oder zementiert, mit einem Liniennetz gezeichnet ist, laufen, der einen Längsmauer und den beiden Quermauern angebaut, niedere, schmale, schräg abgedachte Wandelgänge mit verschiedenartigen Öffnungen (ouverts du premier, de la porte, du second, du dernier; grille; dedans). Durch den Zusatz des Wandelganges mit dem dedans und den an der glatten Längsmauer befindlichen Vorsprung (tambour) unterscheiden sich die neuern Ballhäuser von den früher (in Deutschland fast ausschließlich) gebräuchlichen jeux carrés. Im übrigen vgl. J. Marshall, Annals of T. (Lond. 1878). – Das moderne T., wie es heute noch in Frankreich, neuerdings in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und besonders in England (30 Ballhäuser) in Blüte steht, ist das Produkt einer Jahrhunderte dauernden Entwickelung. Sein Mutterland ist Italien, wo wir in einem nach klassischem Vorbild entstandenen Handballspiel das Prototyp von T. zu suchen haben. Aber erst im Mittelalter bildete sich in Frankreich das spezifische jeu de la courte paume aus. Um die Mitte des 14. Jahrh. hatte ganz Paris seine Ballhäuser, deren Zahl 1657 auf 114 steigt. Sämtliche französischen Könige (besonders Heinrich IV.), hoch und niedrig huldigten dem Spiel, dessen größte Blütezeit bis zu Ludwig XIV. währt. Am bekanntesten ist wohl das Ballhaus von Versailles, in dem am 20. Juni 1789 die Nationalversammlung tagte. Von Frankreich aus verbreitete sich das Spiel, von den Franzosen le roi des jeux et le jeu des rois betitelt, besonders nach Italien (im 16. Jahrh.), nach England unter dem Namen T. (vor 1369), um das 16. Jahrh. an die deutschen Höfe und Universitäten und in die größern deutschen Städte, starb aber im Laufe des 18. Jahrh., ausgenommen in Wien, allmählich bei uns aus. Wenige Platz- und Straßennamen erinnern noch an diese kulturhistorisch hochinteressante Erscheinung. Eine ins Freie verlegte Abart des Spieles ist das Lawn-Tennis (s. d.).[412]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 412-413.
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