Totenvogel [2]

[639] Totenvogel, eine in Verbindung mit dem Totenschiff (s. d.) überall dort auftretende Erscheinung, wo das Totenreich von der Seele des Verstorbenen nicht mehr zu Schiff allein erreichbar ist, sondern wo es sich über die Meeresfläche erhebt. Entweder nimmt dabei die Seele selbst Vogelgestalt an, oder aber das Totenschiff erscheint in dieser Gestalt, um den Toten in die Lüfte zu tragen. Verbreitet ist der Glaube an den T. besonders bei den Malaio-Polynesiern, den Melanesiern und Nordwestamerikanern; bevorzugter T. ist hier der Nashornvogel (Buceros). Auch bei den Kaffern kehrt der T. wieder, desgleichen bei den vorislamitischen Arabern, wo aus dem Blute des Gehirns und einigen Körperteilen der Vogel Hâma entstand, der alle 100 Jahre zum Grabe des Verstorbenen zurückkehrte. In der deutschen Sage kehrt der T. wieder im Märchen vom Machandelboom, wo der gemordete Knabe als Vogel wiederkehrt und Rache nimmt. Vgl. Schurtz, Das Augenornament und verwandte Probleme (in den »Abhandlungen der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften«, Bd. 15, Leipz. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 639.
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