Langenbeck, Bernhard Rudolph Konrad

Langenbeck, Bernhard Rudolph Konrad von
Langenbeck, Bernhard Rudolph Konrad von

[954] Langenbeck, Bernhard Rudolph Konrad von, einer der berühmtesten deutschen Chirurgen des 19. Jahrhunderts, geb. 8. Nov. 1810 zu Padingbüttel im Lande Wursten (Hannover), als Neffe von Konrad Johann Martin L., der der Stiefbruder seines Vaters war, studierte in Göttingen, wurde daselbst 1835 Doktor, machte eine wissenschaftl. Reise nach Frankreich und England, habilitierte sich in Göttingen 1836 als Privatdozent, wurde daselbst Prof. e. o. und 1842 nach Kiel als Prof. ord. der Chirurgie und Direktor des Friedrichs-Hospitals berufen. 1848 leitete er in dem Kriege der Herzogtümer gegen Dänemark als General-Stabsarzt der Armee den chir. Dienst in den Lazaretten, wurde aber noch in demselben Jahre nach Berlin, auf den durch Dieffenbach's Tod (1847) erledigten Lehrstuhl berufen und zum Direktor des klin. Instituts für Chirurgie und Augenheilkunde ernannt. Behufs Antritts der Professur schrieb er die akademische Abhandlung: »Commentatio de contractura et ancylosi genu nova methodo violentae extensionis ope sanandis« (Berlin 1850) und machte in John Hunter's Abhandl. über Blut-Entzündung und Schusswunden (deutsche Übers. von Fr. Braniss, Berlin 1850) Bemerkungen zu den letzteren. Abgesehen von zahlreichen Veröffentlichungen aus seiner Klinik durch Assistenten und Schüler in der »Deutschen Klinik« seit deren Begründung (1849) finden sich von ihm selbst darin u.a. folgende Aufsätze: »Die subcutane Osteotomie« (1854) – »Chiloplastik durch Ablösung und Verziehung des Lippensaumes« (1855) – »Das permanente warme Wasserbad zur Behandlung grösserer Wunden, insbesondere der Amputationsstümpfe« (1855) – »Ueber die Exstirpation der interstitiellen Uterusfibroide« (1859) – »Die osteoplastische Resection des Oberkiefers« (1861); ferner in der Med. Ctr.-Ztg.: ›Die Geschwülste der Fossa spheno-maxillaris und die Exstirpation derselben mittels Resection des Jochbogens« (1860); in der Berl. kl. Wochenschr.: »Neue Methode der Rhinoplastik« (1864). In dem seit 1860 von ihm herausgegebenen, von Billroth u. Gurlt redigierten »Archiv für klinische Chirurgie« sind von ihm folgende grössere Aufsätze enthalten: »Beiträge zur chirurgischen Pathologie der Venen« (I, 1860) – »Angeborene Kleinheit des[954] Unterkiefers mit Kiefersperre verbunden, geheilt durch Resection der Procc. coronoidei« (I) – »Die Uranoplastik mittels Ablösung des mucös-periostalen Gaumenüberzuges« (II, 1862) – »Weitere Erfahrungen im Gebiete der Uranoplastik u.s.w.« (V, 1864). Bei Gelegenheit des Feldzuges gegen Dänemark (1864) wurde er zum Generalarzt und konsultierenden Chirurgen ernannt und in demselben Jahre in den Adelstand erhoben. Auch an den folgenden Feldzügen (1866, 70, 71) nahm er in gleicher Eigenschaft einen hervorragenden Anteil; es finden sich seit 1864 seine in den Feldzügen gemachten Erfahrungen mehrfach in seinen Arbeiten niedergelegt; so: »Ueber Resectionen im Fussgelenk wegen Schussfracturen (B. kl. W. 1865) – »Ueber die Schussfracturen der Gelenke und ihre Behandlung. Rede u.s.w.« (Berlin 1868) – »Ueber Schussverletzungen d. Hüftgelenks« (Archiv, XVI, 1874) – »Ueber die Endresultate der Gelenkresectionen im Kriege« (Ib.). Zahlreiche kleinere Mitteilungen von ihm finden sich auch in den »Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie«, welche 1872 durch ihn gegründet und seither von ihm geleitet wurde. Nachdem er früher den Charakter als Geh. Med.-Rat und als Geh. Ober-Med.-Rat erhalten hatte, wurde ihm bei Niederlegung seiner Professur 1882 der als wirklicher Geh. Rat verliehen. Seit jener Zeit hatte er seinen Wohnsitz in Wiesbaden, wo er 29. Sept. 1887 starb. – L. war lange Zeit der neidlos anerkannte Führer der deutschen Chirurgen. Wie sein Oheim, war er ein Mann von vielseitigster med. Bildung, der, ehe er Chirurg wurde, sich eingehend mit normaler u. pathol. Anat. und Physiol. beschäftigt hatte und auf längeren Reisen in England und Frankreich sich weiter auszubilden bestrebt gewesen war. In weiteren Kreisen wurde sein Name erst bekannt, als er 1848, als General-Stabsarzt der jungen Schleswig-Holsteinisch. Armee der konservativen Richtung in der Kriegschirurgie[955] durch die Wiederaufnahme der bis dahin nur sehr wenig bei Schussverletzungen ausgeführten Gelenk-Resektionen eine breite Bahn eröffnete, auf der er in allen späteren Kriegen (1864, 66, 70 bis 71) neue Lorbeeren zu ernten in der Lage war. Auch in der Zeit seiner Berliner Wirksamkeit liess er sich die Vervollkommnung der Resektionsverfahren, durch Ausbildung der subperiostalen und subsynovialen Methoden sehr angelegen sein. Er führte die gewaltsame Extension der Kniekontraktur ohne vorhergehende Tenotomie ein (von seinem Vetter Max Langenbeck wurde ihm die Priorität dieses Verfahrens bestritten), es ist ihm die subkutane Osteotomie, Uranoplastik, die osteoplast. Resektion des Oberkiefers, eine neue Methode, die Geschwülste der Fossa spheno-maxillaris zu entfernen, ein neues Verfahren der Rhinoplastik u. Cheiloplastik zu danken. Abgesehen von seinen Arbeiten über Schussverletzungen und den durch dieselben bedingten konservativen Operationen u. deren Endresultate sind noch besonders anzuführen seine hervorrag. Arbeiten über die Venen, die subkutane Durchschneidung des N. infraorb. in der Fissura orbit. infer., die hypodermat. Ergotin-Injektt. bei Aneurysmen, die Pharyngotomia subhyoidea, die Exstirpation des Pharynx u.s.w. Bis in sein hohes Alter war er bemüht, aus fremder und eigener Erfahrung zu lernen; als Lehrer war er vortrefflich und von bewunderungswerter Pflichttreue, als Mensch von einer Liebenswürdigkeit und Zuverlässigkeit des Charakters, deren Zauber sich jedermann gegenüber geltend machte, seinen Schülern der treueste Freund und Berater.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 954-956.
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