Staatsstreich

[643] Staatsstreich (Coup d'état), der eigenmächtige Umsturz der Verfassung durch den Inhaber der Staatsgewalt selbst od. die Revolution auf dem Throne. Eine Rechtfertigung des S-s kann es hiernach vom Standpunkte des Staatsrechtes nie geben; in wie weit derselbe eine Entschuldigung finden kann, hängt von der Anerkennung des sogenannten Staatsnothrechtes (Jus eminens) ab. Hierüber sind die Ansichten sehr abweichend. Im Allgemeinen können, wie es in den Verhältnissen des Einzelnen einen Zustand der Nothwehr (s.d.) u. einen Nothstand (s.d.) gibt, in welchem die Verletzung der öffentlichen Rechtsordnung keine Strafe nach sich zieht, so auch in den Verhältnissen des Staates Zustände hervortreten, in denen eine Abweichung von den gewöhnlichen Grundsätzen des Staatsrechtes durch das Interesse der Selbsterhaltung zur Nothwendigkeit wird. In welchen Fällen diese Zustände als vorhanden anzunehmen seien, darüber lassen sich weitere positive Regeln kaum aufstellen, da nur das Gewissen dem Regenten die Schranken vorzeichnen kann, in denen er sich diesfalls zu bewegen hat. In früheren Zeiten war dies Gewissen dabei allerdings ein ziemlich weites, u. man suchte oft auch nur mit Klugheitsregeln (hier Staatsraison genannt) dasselbe zu beschwichtigen. Nach Analogie der Nothwehr u. des Nothstandes kann indessen der S. nie dann eine Entschuldigung finden, wenn nicht eine wirkliche Gefahr od. Noth für den ganzen Staat vorhanden ist, wenn ferner die gewöhnlichen rechtlichen Mittel, welche dem Staatsherrscher zu Gebote stehen, schon zur Beseitigung der Gefahr ausreichen u. wenn die Staatsgewalt bei Beseitigung der Gefahr von härteren Mitteln Gebrauch macht, als sie für den Zweck erforderlich waren. Ein Urtheil darüber, ob der Regent bei einem gelungenen S. diese Schranken eingehalten habe, kann nur die Geschichte geben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 643.
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