Todtgeborenes Kind

[656] Todtgeborenes Kind, ein Kind, welches noch vor der völligen Absonderung vom Mutterleibe vor od. während der Geburt das Leben verloren hat. Civilrechtlich betrachtet treten diese Kinder in keine bürgerlichen Rechte, ja die römischen Gesetze nehmen von ihnen an, daß sie nicht eigentlich Kinder genannt werden können; doch wird rechtlich vor der Geburt für sie, so lange man nicht weiß, ob sie todt sind, auf den Fall gesorgt, daß sie lebend zur Welt kommen, durch einen, dem künftig zu gebährenden Kinde (Nasciturus) bestellten Vormund u. überhaupt durch Cura ventris. Kommt das Kind völlig u. ganz zur Welt, gibt es, nachdem es völlig von der Mutter abgesondert worden war, deutliche Lebenszeichen von sich, ist es zugleich lebensfähig, so wird es für lebendig geboren geachtet, wobei es eins ist, ob es zu früh zur Welt kam, wenn es nur den Grad der Ausbildung erreicht hat, daß es eines weiteren Lebens fähig wäre. Dafür wird rechtlich ein Kind geachtet, welches ein siebenmonatliches Alter im Mutterleibe erreicht hat. Die altdeutschen Rechte verlangen, daß das Kind die vier Wände des Hauses beschrien habe, um für lebendig geboren geachtet zu werden. Nur dann, nicht in dem entgegengesetzten Falle war es fähig Erbschaften zu erlangen etc. Es muß auch ein t. K. christlich beerdigt werden, wird jedoch gewöhnlich still beigesetzt. Taufe findet nicht statt. Criminalrechtlich kommt die Frage, ob ein Kind lebendig- od. todtgeboren sei, vorzüglich beim Kindesmord in Betracht, indem derselbe zu seinem Thatbestand voraussetzt, daß das Kind erst durch die ihm angethane Gewalt um sein Leben gekommen sei; s.u. Kindesmord.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 656.
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