Untergerichte

[254] Untergerichte, die Gerichtsbehörden der ersten, untersten Instanz, bei welchen der Regel nach alle Rechtssachen zuerst anzubringen u. meist auch zuerst zu entscheiden sind. Nur ausnahmsweise sind manche Sachen, z.B. sonst die Rechtsangelegenheiten der Personen des privilegirten Gerichtsstandes u. die privilegirten Rechtssachen, Nullitäten etc., sogleich in erster Instanz vor ein Obergericht gewiesen. Die U. stehen nicht in der Weise unter den Obergerichten, daß jene allen Befehlen der letzteren unbedingt zu gehorchen hätten, sondern ihre Stellung ist nur die, daß, wenn eine Partei sich bei dem Ausspruche des U-s nicht beruhigen will, sie sich auf den anderweiten Ausspruch des Obergerichtes als des Gerichtes der zweiten Instanz berufen kann, dessen Urtheil dann an Stelle des Erkenntnisses des Gerichtes erster Instanz tritt. Meist ist den U-u auch die ganze Instruction des Processes überwiesen, u. nach älterer Verfassung sind sie auch vielfach mit der Besorgung von Geschäften der Verwaltung betraut. Ihre innere Einrichtung ist neuerdings sehr verschiedenartig gestaltet worden. In der früheren Zeit war sie fast ausschließlich eine monokratische, d.h. mit einem Dirigenten, welcher alle Geschäfte unter seiner alleinigen Verantwortlichkeit leitete, so daß ihn nur aushülfsweise Actuarien, Registratoren etc. beim Protololliren u. nöthigenfalls mit einer beschränkten Delegation für die niederen Branchen des Dienstes unterstützten. Dieser Art waren die älteren Land- u. Stadtgerichte, die Justiz- u. Gerichtsämter u. die meisten Patrimonialgerichte. Nach den neueren Gerichtsorganisationen sind aber vielfach auch die U. collegialisch organisirt, u. zwar entweder so, daß nur Collegialgerichte in unterster Instanz bestehen u. nur innerhalb derselben einzelnen Beamten die Geschäfte des Untersuchungs-, Hypotheken-, Bagatell-, Vormundschaftsrichters etc. überwiesen sind, welche dann die wichtigeren Sachen der Entscheidung des Collegiums zu unterbreiten haben; od. so, daß Einzel- u. Collegialgerichte in unterster Instanz neben einander bestehen, so daß die minder wichtigen Sachen, die Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit u. geringeren Criminalfälle bei den Einzelrichtern, die wichtigeren aber bei den Collegialgerichten anzubringen u. zu entscheiden sind. Mehrfach ist in neuerer Zeit auch eine Unterscheidung zwischen Civil- u. Criminaljustiz durchgeführt worden, so daß besondere U. für die Civiljurisdiction, andere wieder für die Criminaljurisdiction (Criminalgerichte, Inquisitoriate) bestehen. Auf ähnlicher Grundlage beruhte sonst auch die jetzt größtentheils antiquirte Unterscheidung der U. in Ober- u. Erbgerichte, von denen die ersteren die peinliche, hohe Halsgerichtsbarkeit (Jurisdictio alta), die anderen die streitige u. uichtstreitige niedere bürgerliche Gerichtsbarkeit, nebst der Bestrafung der geringeren, blos mit Buße u. Wette zu ahndenden Frevel (Voigteigerichtsbarkeit, Jurisd. bassa) zu exerciren hatten. In manchen Ländern bestehen über die Verfassung u. Verwaltung der U. besondere Untergerichtsordnungen, z. V. Hessen-Kasselsche Untergerichtsordnung vom 9. April 1732, Hannoversche Untergerichtsordnung vom 5. Oct. 1827 (Spangenberg, Commentar zur Proceßordnung für die U, Hannov. 1829, 2 Thle.), Württembergisches Organisationsedict für die Rechtspflege in den unteren Instanzen etc. vom 31. Dec. 1818, u.a. Vgl. H. Puchta, Der Dienst der deutschen Justizämter, Erlangen 1829 f., 2 Thle.; C. L. Häberlein, Justizämter u. deren Geschäftsordnung, den Forderungen der Neuzeit entsprechend dargestellt, Nordhausen 1823; I. H. Beschorner, Praktische Anleitung zur Verwaltung von U-n, Dresd. u. Lpz. 1845.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 254.
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