Bogenstellung

[180] Bogenstellung. (Baukunst)

Diesen Namen haben die deutschen Baumeister den Werken gegeben, die man gemeiniglich mit dem französischen Namen Arkaden nennt. Man versteht dadurch eine Reihe von Bogen zwischen Pfeilern, die entweder einen bedekten Gang ausmachen, oder eine Wasserleitung, oder eine Brüke tragen, wovon man sich aus der hiebey gefügten Zeichnung einigen Begriff machen kann.

Bogenstellung

In der Baukunst kommen vielerley Gelegenheiten vor, solche Bogenstellungen anzubringen. Erstlich, wo ein freystehender von oben bedekter Spatziergang oder Porticus mit gewölbter Deke anzulegen ist, dergleichen die vornehmen Römer ehedem in der Nähe ihrer Häuser angelegt haben;1 oder wenn man einen solchen Gang an einem Gebäude, es sey von aussen, oder inwendig um den Hof herum, anlegen will, damit man im trokenen an den Häusern weggehen könne. In den meisten Klöstern sind solche Gänge um den Hof herum; vorne an den Häusern findet man sie in verschiedenen Städten, wie in Berlin auf dem Mühlendamm, und an der sogenannten Stechbahn. Die Römer legten auch oft ihre kostbaren Wasserleitungen über solche Bogenstellungen. Man kann zwar solche bedekte Gänge auch zwischen zwey Reihen Säulen, die das Dach tragen, anlegen, wie die halb runde Säulenlaube um den Hof in Sanssouci ist. Allein alsdenn kann die Deke, wegen Mangel der Wiederlage nicht gewölbet werden, sondern muß flach entweder von sehr grossen Steinen gemacht werden, wie an der Säulenlaube an der Vorderseite des Berlinischen Opernhauses, welches sehr kostbar ist, oder von Holz, welches keine Dauer hat. Soll die Deke gewölbet werden, welches allemal das beste ist, so muß das Gewölbe nothwendig auf sehr starken Pfeilern ruhen. Bey Gebäuden, wo man nicht viel auf die Zierlichkeit sieht, werden die Pfeiler schlechtweg vierekigt aufgemauret, und allemal über zwey Pfeiler ein Bogen geschlossen; sieht man aber auf die Zierlichkeit, so werden die Pfeiler mit Wandpfeilern, wie in der hier stehenden Figur, oder auch mit halb aus der Mauer stehenden Säulen verziert. Die besten Baumeister haben bey den Bogenstellungen folgende Regeln beobachtet, von denen [180] man ohne wichtige, aus der Nothwendigkeit entstehende Ursachen, nicht abgehen soll.

Die Höhe der Oefnung a b von dem Fußboden bis an den Scheitel des Bogens, soll der doppelten Breite c d gleich seyn. Die Nebenpfeiler werden ein Model breit gemacht, zum Bogen wird ein voller halber Zirkel genommen, und vom Scheitel des Bogens bis an den Unterbalken, wird b e zwey Model genommen. Diese Verhältnisse geben den Bogenstellungen das schönste Ansehen, und danach muß nun alles übrige bestimmt werden. Ein einziges Beyspiel wird hinlänglich seyn, zu zeigen, wie die Eintheilungen zu machen seyen.

Es soll eine Bogenstellung mit dorischen Pfeilern gemacht werden. Weil die dorischen Pfeiler mit zwey Untersätzen 18 Model hoch sind,2 vom Unterbalken an bis auf den Scheitel des Bogens, im Lichten aber zwey Model gerechnet werden, so blieben für die Höhe der Oefnungen (a b in der Figur) 16 Model übrig; mithin würde die Weite c d 8 Model seyn müssen. Nun muß an jeder Seite ein Model für die Breite des Nebenpfeilers, und ebenfalls ein Model für die halbe Dike des Pfeilers gerechnet werden; daher entsteht die Pfeilerweite f g von 12 Modeln.

Doch können diese Verhältnisse nicht allemal beobachtet werden. An dem Colisäum in Rom, wo drey Bogenstellungen übereinander stehen, sind folgende Verhältnisse beobachtet worden: die unterste ist von dorischer Ordnung, die Säulenweite 14 Model und 11 Minuten; die Breite der Nebenpfeiler beynahe 2 Model; die weite der Oefnungen 9 Model 28 1/2 Min. die Höhe nur 16 Model 13 Min. Die zweyte Ordnung ist jonisch mit Säulenstühlen, die aber mit der Brüstung der Oefnung in einem fortlaufen. Die Säulenweite und die Breite der Nebenpfeiler, und die Weite der Oefnungen, sind wie vorher. Die Höhe ist nur 14 Model 28 Min. und fast eben so ist auch die dritte Ordnung.

Der äusserste Pfeiler einer Bogenstellung muß nothwendig stärker seyn, als die andern, damit er die Spannung des Bogens aushalte. Deswegen setzt man auch insgemein zwey Wandpfeiler oder Säulen auf der Eke neben einander. Von den Einfassungen der Bogen, von den Kämpfern und Schlußsteinen, ist in besondern Artikeln gesprochen worden.

Eine gothische und ziemlich abgeschmakte Art von Bogenstellungen sieht man an dem Herzoglichen Pallast in Venedig, wo die Bogen auf schlechten vierekigten Pfeilern stehen, davon jeder mit zwey elenden Säulchen verzieret ist, die bis an die Kämpfer der Bogen reichen.

1S. Säulenlaube.
2S. Dorisch.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 180-181.
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