Gesetz, das

[624] Das Gesêtz, des -es, plur. die -e, Diminut. Gesetzchen, Oberd. Gesetzlein, von dem Zeitworte setzen.

[624] 1. So fern dasselbe für absetzen, einen Absatz machen, stehet, bezeichnete das Hauptwort ehedem einen, besonders kleinen, Absatz eines Gedichtes oder einer Schrift; in welcher Bedeutung es aber veraltet ist, außer daß bey dem gemeinen Manne einiger Gegenden eine Strophe eines Liedes, ein Vers oder auch ein Kapitel aus der Bibel noch ein Gesetz genannt wird; Nieders. Gesette. Auch bey den Meistersängern hat ein Bar oder Lied mehrere Gesetze, d.i. Absätze, ein Gesetz aber gemeiniglich zwey Stollen oder Strophen, welche gleiche Melodie haben. In der vertraulichen Sprechart wird es noch zuweilen figürlich für eine kurze Rede, oder einen Theil einer Rede gebraucht. Nicht wahr, sie lögen selber ein Gesetzchen, wenn sie so eine Dose verdienen könnten? Less.

2. So fern setzen verordnen, bestimmen bedeutet. 1) In der weitesten Bedeutung, eine jede Regel, ein jeder Satz, nach welchem etwas eingerichtet wird, oder nach welchem verschiedene Dinge mit einander verbunden werden. Die Welt wird nach unveränderlichen Gesetzen von Gott regieret. Die Gesetze der Bewegung, oder die Bewegungsgesetze, nach welchen die Bewegungen aller Körper erfolgen. Die Naturgesetze, nach welchen die Veränderungen der natürlichen Körper vor sich gehen. So auch die Vorstellungs-Empfindungs-Einbildungsgesetze u.s.f. 2) In engerer Bedeutung, eine jede verbindliche Vorschrift freyer Handlungen. Ich habe es mir zum Gesetze gemacht, nie wieder zu spielen. Die Gesellschaft hat verschiedene Gesetze unter sich gemacht. Die Gesetze der Dichtkunst übertreten. Die Gesetze der Liebe und Freundschaft verletzen. In ähnlichem aber sonst ungewöhnlichem Verstande heißt in der Deutschen Bibel zuweilen jede Lehre, oder jedes Lehrgebäude, d.i. ein Zusammenhang von Vorschriften und Regeln, ein Gesetz, wie Röm. 3, 27; Es. 2, 3; Ps. 119. Dahin auch das Gesetz der Sünde, Röm. 7, 23 gehöret, das natürliche Verderben zu bezeichnen. 3) In noch engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, eine mit Strafe verbundene allgemeine Vorschrift eines Obern, wodurch es von Befehl unterschieden ist, welcher nur auf einzelne Handlungen gehet. Ein Gesetz geben, bekannt machen. Ein Gesetz aufheben. Ein Gesetz beobachten, halten, brechen, übertreten, dawider handeln. An die Gesetze gebunden seyn, verpflichtet seyn, denselben zu gehorchen. Weltliche Gesetze, im Gegensatze der göttlichen. Bürgerliche Gesetze, welche das äußerliche Verhalten, das zum gesellschaftlichen Leben gehöret, bestimmen. Kirchliche, gottesdienstliche Gesetze, welche den Gottesdienst bestimmen. Zuweilen heißt auch ein ganzer Inbegriff mehrerer Gesetze Einer Art nur schlechthin das Gesetz. Der Menschenfreund bestrebt sich nicht nur andern das zu leisten, was das Gesetz buchstäblich befiehlet, Gell. Das Kirchengesetz, der ganze Inbegriff aller kirchlichen Gesetze. 4) In der engsten Bedeutung, die göttliche Vorschrift unsers freyen Verhaltens und der ganze Inbegriff dieser Vorschriften; in welcher Bedeutung dieses Wort wieder in verschiedenen Einschränkungen gebraucht wird, welche doch außer der Bibel und der biblischen Schreibart nicht üblich sind. (a) Eine jede verbindliche Lehre göttlichen Ursprunges, mit Einschließung so wohl des Naturgesetzes als auch des Evangelii, welches letztere Es. 2, 3 das Gesetz aus Zion, und Röm. 3, 27 das Gesetz des Glaubens genannt wird. (b) Die ganze heilige Schrift, oder einzelne Theile derselben. Von der ganzen heil. Schrift kommt es Ps. 1, 2 und 119 vor. Von einzelnen Theilen wird zuweilen das ganze alte Testament im Gegensatze des neuen das Gesetz genannt, wie Joh. 10, 34; Kap. 15, 25; zuweilen aber werden unter diesem Nahmen nur die fünf Bücher Mosis, im Gegensatze der Propheten und Psalmen begriffen.[625] (c) Die göttlichen Vorschriften unsers Verhaltens in der nähern Offenbarung, und der ganze Umfang derselben, im Gegensatze des Evangelii; dahin denn wiederum das bürgerliche Gesetz der ehemahligen Juden, ihr Ceremonial- oder Kirchengesetz, und das Sittengesetz gehören, welches letztere in der engsten Bedeutung das Gesetz genannt wird.

Anm. Gesetz, bey dem Kero Kesezzida, im Schwabenspiegel nur Setz, kommt von setzen, verordnen, her, wie das Griech. θεσμος von τιθεσθαι, und das veraltete Nieders. Lage, Schwed. Laga, Angels. Lagu, Engl. Law, Lat. Lex, von legen abstammet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 624-626.
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