August Wilhelm Iffland

[227] August Wilhelm Iffland. Dieses große theatralische Genie, gleich groß als Schauspiel-Dichter und als Schauspieler, zeigte sehr früh das entschiedendste Talent fürs Theater. Aus einer guten Familie in Hannover geboren, geschah es nicht ohne Kampf, daß er seinem Hange zum Schauspieler folgte, wider welchen Stand damahls noch mehr als jetzt das Vorurtheil aufstand. Einen Theil seiner Jugendgeschichte hat sein Freund Moritz in dem bekannten Roman Anton Reiser erzählt, welcher Moritzens Geschichte enthält. Im Jahre 1777 kam Iffland zur Sailerschen oder vielmehr Hofschauspieler-Gesellschaft in Gotha, wo er in dem Diamant, einem kleinen Nachspiele, als Jude debütirte. Hier ward Eckhof, der erste große Schauspieler der Deutschen, und, nach Engels Urtheil, noch immer der größte, Ifflands Vorbild und Freund. Wahrheit war das hohe Ziel, nach welchem er strebte, [227] und wogegen er allem Glänzenden entsagte, wodurch so viele Schauspieler auf Kosten jener den Beifall des Publicums zu erschleichen wissen. Bei dem glücklichsten theatralischen Genie, vermöge dessen er auch das Talent, lebende Personen auf das sprechendste darzustellen, mit jedem großen Schauspieler gemein hat, bei guten wiewohl nicht glänzenden körperlichen Anlagen erreichte er bald das Ziel der Vollkommenheit: und nach dem, was über den Geist seines Spiels gesagt worden ist, kann man es sich leicht erklären, daß sich sein Talent nicht auf ein bestimmtes Fach einschränkte, sondern daß er in mehreren Fächern meisterhaft spielt; wiewohl, wie Herr O. C. R. Böttcher in einer bald anzuführenden Schrift sagt, nur eine Stimme darüber ist, daß ihm die humoristischen Rollen in Lustspielen vor allen andern gelingen, die bloßen Heldenrollen aber im ernsten Drama oder im Trauerspiele, wofern sich ihnen nicht ein Zusatz von Intrigue oder Laune beimischt, seinem Spiele am fernsten liegen. Seine Grundsätze über die Schauspielkunst hat er in seinen Fragmenten über Menschendarstellung auf den Deutschen Bühnen (erste Sammlung, Gotha 1785) mitgetheilt, welche kleine Schrift unter das Beste gehört, was über Schauspielkunst geschrieben worden. Späterhin ging Iffland an die National-Schaubühne nach Mannheim. Hier fing er an auch fürs Theater zu schreiben. Verbrechen aus Ehrsucht war das erste seiner Stücke, welches ihm ungetheilten Beifall erwarb; mehrere eben so vortreffliche, welche diesem folgten, vorzüglich die Jäger, verschafften ihm bald eine Stelle unter den ersten Schauspiel-Dichtern unsrer Nation. Das bürgerliche Schauspiel, welches im Anfange der Deutschen Literatur von den meisten Kunstrichtern als eine verwerfliche Zwittergattung zwischen Lustspiel und Trauerspiel betrachtet wurde, und welchem vorzüglich Lessing durch seine Uebersetzung und Kritik des Diderotschen Theaters in Deutschland Eingang verschaffte, ist das eigentliche Fach, welches Iffland als Schauspiel-Dichter bearbeitet. Eine eigne Herzlichkeit, welche man die Ifflandische nennen könnte, tiefe Menschenkenntniß, überraschend treue Sittenmahlerei, tief rührende Situationen und über dieß alles ein moralischer Zweck herrschend, – dieß sind die Vorzüge seiner Schauspiele, [228] in welchen er keinem Dichter nachahmt als sich selbst; denn nicht ohne Grund findet man eine zu große Aehnlichkeit zwischen mehreren seiner Stücke, welches, wie einige andre Fehler, welche die Kunstrichter an denselben tadeln, eine nothwendige Folge davon ist, daß er sehr viel fürs Theater arbeitet. Wenn man seinen Stücken den Vorwurf macht, daß darin oft zu viel und zu lange moralisirt werde, so scheint mir Iffland durch die hohen Begriffe, welche er von der Schauspielkunst als einer Sittenlehrerin hegt, hierzu verleitet worden zu sein. In dem gegenwärtigen Kriege, welcher auch gegen Mannheim wüthete, verließ Iffland diesen Ort, und wurde, nachdem er mehrere Orte besucht, und vorzüglich durch mehrere Gastrollen, die er im J. 1796 auf dem Weimarischen Hoftheater übernahm, neue Lorbern eingeerntet hatte, an das Berliner Hoftheater engagirt, wo er zugleich Schauspiel-Director ist. Wenn es neben denen, welche sein Spiel verstehen und zu schätzen wissen, manchen in Berlin giebt, welchem Iffland unter seinem Rufe zu spielen scheint, so muß man bedenken, daß es das Loos vieler Menschen ist, eine glänzende Täuschung der einfachen Wahrheit vorzuziehen. Zum Beschlusse dieses Artikels führe ich folgende vortreffliche Schrift des Herrn O. C. R. Böttcher in Weimar an: Entwickelung des Ifflandischen Spiels in vierzehn Darstellungen auf dem Weimarischen Hoftheater, im Aprilmonath 1796.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 227-229.
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