Genealogie

[180] Genealogie, d.h. Geschlechtskunde, ist eine Hülfswissenschaft der Geschichte, welche die Abstammungs- und Verwandtschaftsverhältnisse vornehmer Geschlechter (Familien) besonders fürstlicher, zum Gegenstande hat. Dieselbe ist von Interesse und Wichtigkeit, weil aus der Verwandtschaft Ansprüche abgeleitet werden, um welche es nicht selten zu den blutigsten Kriegen gekommen ist und um welche es unter weniger Mächtigen zu Streitigkeiten kommt, welche nur bei genauer Kenntniß der Genealogie nach den bestehenden Gesetzen entschieden werden können. Der Einzelne hat überdies noch ein besonderes Interesse, die Namen und wichtigsten Lebensverhältnisse seiner Vorfahren zu kennen, besonders wenn diese Leute von Ehre und Verdiensten waren. Ein besonderes Ansehen hat die Genealogie durch den Umstand erlangt, daß im Mittelalter verschiedene Stiftungen gemacht wurden, deren Gewinnung oder Besitz von einer gewissen Anzahl adeliger Vorfahren (Ahnen, s. d.) abhängig war, daß gewisse Ämter nur an Solche ausgegeben und gewisse Vorrechte nur Solchen zugestanden wurden, die eine bestimmte Zahl von Ahnen aufzuweisen vermochten und dergl. Die Genealogie wurde aber schon im hohen Alterthume gepflegt. Es ist bekannt, wie streng die Juden auf Abstammung hielten, und bei den Griechen und Römern kannten die vornehmen Geschlechter die Reihe ihrer Vorfahren auf das Genaueste. Zu allen Zeiten war man bemüht, diese Reihe der Vorfahren so weit als möglich zurückzuführen, sodaß die Juden bis auf Adam zurückgingen, die Griechen aber bis zu den Heroen (s.d.) und von diesen bis zu den Göttern. Im Mittelalter war man in ähnlicher Weise bemüht, die Abstammung der Geschlechter im röm. Alterthum nachzuweisen. Die älteste Person, bis zu welcher man von Sohn auf Vater die Vorältern zurückzuführen vermag, wird der Stammvater, Urahn, Ahnherr des Geschlechts genannt. Die Ahnen werden entweder vom Ahnherrn in gerader Linie abwärts gezählt, indem man die Nachkommen aufführt, oder aufwärts, indem man von dem letzten Sproß des Geschlechts an die Vorfahren bis zum Ahnherrn namhaft macht. Die Nachkommen (lat. posteri), wie die Vorfahren (lat. majores) führen bis zum siebenten Gliede besondere lat. Namen, nämlich jene heißen: filius (Sohn), nepos (Enkel), pronepos (Urenkel), abnepos (Ururenkel), atnepos, trinepos, protrinepos; diese: pater (Vater), avus (Großvater), proavus (Urgroßvater), abavus (Ururgroßvater), atavus, tritavus, protritavus. Die Abstammung wird stets nur nach den männlichen Vorfahren fortgeführt, sowol für Frauen als für Männer. Wenn aber ein Vorfahr mehre Söhne hat, welche ihrerseits wieder Söhne und Enkel hinterlassen, so entstehen neben der Hauptlinie, welche sich immer in den ältesten Söhnen fortsetzt, die Seitenlinien, nämlich im Verhältniß gegen die Hauptlinie, sodaß die Seitenverwandten (lat. collaterals) nicht voneinander, sondern nur von demselben Stammvater abstammen. Die Entfernung der Verwandtschaft wird nach Graden bestimmt. Seitenverwandte gibt es sowol von mütterlicher, als von väterlicher Seite, jene heißen Cognaten (Spillmagen), diese Agnaten (Schwertmagen). (Vgl. Verwandtschaft.) Die Genealogie eines bestimmten Geschlechtes wird in einer genealogischen Tabelle (Stammtafel) angegeben, welche je nach dem Zwecke, für den sie bestimmt ist, verschieden eingerichtet ist. Die gewöhnlichste Einrichtung ist die, daß der Stammvater zu oberst gesetzt und unter diesem die Nachkommen nach der Entfernung in der Abstammung, sodaß immer Sohn auf Vater kommt, und gleich entfernte Seitenverwandte auf derselben Horizontallinie nebeneinander stehen. Häufig gibt man der Stammtafel aber auch die Gestalt eines Baumes, der seine Zweige und Nebenzweige ausbreitet. An der Wurzel dieses Stammbaumes steht dann der Name des Stammvaters, an den Haupt-und Nebenästen stehen die Namen der Nachkommen nach ihrer Abstammung, und den Namen der Männer werden gewöhnlich die ihrer Frauen zur Seite gestellt, auch wird den einzelnen Namen Geburts- und Sterbejahr der Personen, welche sie bezeichnen, beigesetzt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 180.
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