Gewerbsteuer

[214] Gewerbsteuer, eine landesherrliche Abgabe, welche von dem Reinertrage der Gewerbe (im weitesten Sinne, also z.B. auch von dem Gehalte der Staatsdiener, von prakticirenden Gelehrten, z.B. von Advocaten und Ärzten u.s.w.) entrichtet wird. Die Beobachtung des Hauptgrundsatzes der Staatswirthschaftslehre, daß alle Abgaben unter die Steuerpflichtigen gleichmäßig vertheilt und nur von dem nach Abzug der nothwendigen Lebensbedürfnisse noch übrigbleibenden Gewinne der einzelnen Staatsbürger entrichtet werden sollen, ist vorzüglich bei Erhebung der Gewerbsteuer eine sehr schwierige Aufgabe, weil das reine Einkommen des Gewerbsbetriebes in den meisten Fällen schwankend und veränderlich ist und von dem Gewerbtreibenden gewöhnlich verheimlicht wird, eben deshalb aber schwer und nie mit vollkommener Gewißheit erkannt werden kann. Auch ist das gewaltsame Eindringen der Staatsregierungen in die innern Gewerbsverhältnisse der Unterthanen ein sehr verhaßtes und eben deshalb oft gefährliches Mittel zu Erzielung einer gleichmäßigen Besteuerung der Gewerbtreibenden. Wir finden daher in den wenigsten Ländern eine reine Gewerbsteuer, und wo sie vorkommt, gewöhnlich nur unter sehr milden Gesetzen. So beträgt z.B. in England, wie unermeßlich auch der Gewerbsbetrieb in diesem Lande ist, die Gewerbsteuer doch noch nicht einmal ganz den funfzigsten Theil, nämlich etwa eine Million Pf. St., in Rußland dagegen den elften Theil des jährlichen Staatseinkommens. Man hat daher, um jenen Übelstand zu vermeiden, ein anderes Mittel zu Besteuerung der Gewerbe ergriffen. Dies ist die sogenannte Patentsteuer. Das Wesen derselben besteht darin, daß sie nur für die von der Regierung zu ertheilende Befugniß, ein Gewerbe betreiben zu dürfen, von den darum Ansuchenden erhoben wird. Sie ist am consequentesten in Frankreich durchgeführt, wo Jeder, der einen Industrie- oder Handelszweig betreiben will, hierzu ein besonderes Patent lösen muß, welches ihn zum Betriebe des gewählten Geschäfts im ganzen Umfange des Staats berechtigt. Ein solcher Patentirier hat zugleich das Recht, alle beliebigen Gewerbe gleichzeitig zu betreiben, insofern er den Tarif der Höchstbesteuerten im ganzen Staate entrichtet. Dieser Tarif ist nämlich in den einzelnen Ortschaften nach deren Größe und Gewerbsthätigkeit in verschiedene Classen getheilt. Ähnlich der franz. Patentsteuer ist die Einrichtung der Gewerbsteuer in Preußen. Im Königreich Sachsen ist die Gewerbsteuer seit dem Jahre 1834 mit der Personalsteuer verbunden worden. Die Höhe der einzelnen Beiträge wird hier nach einem in dem Gesetze ausgesprochenen Maßstabe und unter Leitung und Oberaufsicht der Regierung von den einzelnen Communen selbst für ihre steuerpflichtigen Mitglieder festgestellt und alljährlich revidirt. – Ist die Gewerbsteuer auf einzelne Nahrungszweige: auf Handel, Manufactur und Fabriken, Geschäfte und Handwerke beschränkt, so führt sie auch wol den besondern Namen Industrie- oder Arbeitssteuer.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 214.
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