Kupferstechkunst

[681] Kupferstechkunst ist im Allgemeinen die Kunst, auf die glatte Oberfläche einer Kupfertafel ein Bild mit vertieften Strichen oder Punkten einzuzeichnen, sodaß dasselbe nach Bestreichung mit Farben auf Papier abgedruckt, daher auch leicht vervielfältigt werden kann. Die wichtigsten Instrumente, deren sich der Kupferstecher bedient, sind der Grabstichel und die Radirnadel. Jener besteht in einer kleinen vierkantigen Stahlstange, die auf einer Ecke schneidig[681] und an einer ihrer Enden zu einer Spitze schief angeschliffen ist; diese in einem gut gestählten spitzen Eisendrahte in einem hölzernen Griff. Die Art und Weise, wie man sich dieser und auch noch anderer Instrumente und Hülfsmittel zur Erzeugung des vertieften Bildes bedient, bedingt die verschiedenen Arten der Kupferstechkunst. Die Vorarbeit, ehe man an das eigentliche Einarbeiten in das Kupfer gehen kann, ist fast immer die, daß man die Platte über einem Kohlenfeuer erwärmt und mit weißem Wachs oder weichem Ätzgrunde, einer Mischung von Wachs, Pech und Mastix, überzieht, durch aufgestreutes Schieferweiß weiß färbt und mit dem Rauch von Wachslichtern schwärzt. Hierauf bestreicht man die Rückseite des Papiers, auf welchem das in Kupfer zu stechende Bild dargestellt ist, mit Rothstein, legt das Papier auf die Platte und umgeht die Umrisse mit einer Radirnadel; dadurch erhält man auf dem schwarzen Überzuge des Kupfers eine rothe Zeichnung, welche zur Grundlage für die ganze weitere Arbeit dient. Die Umrisse werden nämlich nun unter Durchdringung des Überzugs in das Kupfer eingeschnitten. Ist dies geschehen, so erwärmt man die Platte wieder über Kohlenfeuer und wischt den Überzug weg und die weitere Aufgabe des Künstlers ist nun die Ausführung der ins Kupfer eingeschnittenen Zeichnung. Diese kann auf verschiedene Weise geschehen. Bei der schraffirten Manier bedient sich der Künstler nur des Grabstichels, indem er überall da, wo Schatten hinfallen soll, seine Parallelstriche macht, diese Striche in den dunklern Partien noch mit einer zweiten Reihe von Strichen durchkreuzt u.s.w. Bei der punktirten Manier werden statt der Striche mit dem Grabstichel oder mit Bunzen und Hammer, wol auch mit einem Spitzhammer Punkte eingeschlagen. Schwarze Kreide- und Rothstiftzeichnungen hat man durch die Crayonmanier nachgeahmt, bei welcher auch durch Punkte die Schatten hervorgebracht werden. Ganz verschieden von den bisher beschriebenen Manieren ist das Ätzen oder Radiren. Hier nämlich wird die auf dem schwarzen Überzug der Platte stehende Zeichnung mit der Radirnadel in den Ätzgrund ausgeführt, entweder nach schraffirter oder nach punktirter Manier. Hierauf macht man rings um die Platte einen erhabenen Rand von Wachs und übergießt die Platte mit verdünntem Scheidewasser, sogenanntem Ätzwasser. Dieses frißt nach kurzer Zeit an allen Punkten und in allen Linien, wo der Ätzgrund weggenommen worden ist, in die Kupferplatte ein, und nachdem man den Ätzgrund völlig abgewischt hat, ist die Platte zum Druck fertig, wenn nicht an einzelnen Stellen mit dem Grabstichel nachgeholfen werden muß. Besondere Arten des Kupferstechens sind noch die Aquatinta (s.d.) oder getuschte Manier, die geschabte Manier oder Schwarze Kunst (s.d.). Auch in bunten Farben hat man Kupferstiche hergestellt, indem man sich zum Druck Eines Bildes mehrer Platten bedient, von denen jede für eine Farbe berechnet war. – Der Abdruck der Kupferplatten geschieht entweder durch die Kupferstecher selbst oder durch die Kupferdrucker, welche unzünftige Handwerker sind. Sie bedienen sich einer eigens eingerichteten Presse, der Kupferdruckerpresse, welche im Allgemeinen aus zwei Walzen besteht, zwischen denen die Platte mit dem aufgelegten Papier, oben und unten mit weichem Papier belegt, hindurchläuft. Die ersten Abdrücke fallen schlecht aus, bis ungefähr nach dem zehnten Drucke die Platte alle Rauheit verloren hat. Die nächsten 2–300 Abdrücke sind die schönsten und gewöhnlich nimmt man diese von der Platte, ehe die Unterschrift auf dieselbe gesetzt wird, daher solche Abzüge avant la lettre (d.h. vor der Schrift) genannt und theurer bezahlt werden. Allmälig werden die Abzüge immer schlechter und von einer gestochenen Platte macht man überhaupt nur 2000, von einer geätzten nur 1500 Abzüge. Vor jedem Abdruck muß die Platte neue Farbe erhalten, zu welchem Zwecke man sie mit dem mit Farbe beschmierten Ballen tupft und dann sorgfältig abwischt, sodaß nur in den Vertiefungen Farbe zurückbleibt. – Die Erfindung der Kupferstechkunst ist ungewiß; jedenfalls ist sie gegen die Mitte des 15. Jahrh. gemacht worden, und zwar haben die eingeschnittenen Arbeiten der Goldarbeiter Veranlassung zu dieser Erfindung gegeben, indem man zuerst durch Abdruck dieser Arbeiten darauf geführt wurde, daß man eigens zu dem Zwecke in Metall schneiden könne, um Abdrücke zu erhalten. Die Manier mit dem Grabstichel war die älteste und 1477 erschien in Florenz das erste mit Kupferstichen ausgestattete Buch. Eine neuere Erfindung sind die Kupferstichmaschinen, welche dazu dienen, die Ausführung der Striche und Punkte schneller und auch regelmäßiger zu Stande zu bringen, als man mit freien Händen vermag. Auch hat man eine Maschine erfunden, mit der man Kupfer- und Stahlstiche nach Medaillen und andern Reliefs macht, sodaß die Abdrücke mit einer täuschenden Genauigkeit die Modelle u. dgl. darstellen. Statt auf Kupfer hat man auch auf andere Metalle gestochen, früher namentlich auf Zinn, in neuester Zeit besonders auf Stahl. Die Stahlstiche zeichnen sich durch Schärfe und durch den vortheilhaften Umstand aus, daß man gegen 5000 gute Abzüge von einer Stahlplatte machen kann.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 681-682.
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