Novelle

[309] Novelle wird in der Dichtkunst eine Erzählung in ungebundener Rede oder Prosa und von geringerem Umfange als der Roman genannt. Die vorzüglich durch ital. Dichter in Aufnahme gekommene Novelle war ursprünglich, der Bedeutung ihres Namens entsprechend, die ausgeführte Erzählung einer Neuigkeit, einer Anekdote oder überhaupt eines Vorfalles, gleichviel ob wirklich oder erfunden, der eine anziehende Behandlung erlaubte, und die vorzüglichsten Muster in dieser Gattung enthält das Decameron von Boccaccio (s.d.). Andere ital. Dichter, sowie Spanier, Franzosen und Engländer, haben ebenfalls vorzügliche Novellen geliefert; auch die altdeutsche Literatur hat verwandte Erzählungen aufzuweisen und eine ebenso unterhaltende wie literaturgeschichtlich unterrichtende Sammlung aus diesem ganzen Gebiete hat Ed. v. Bülow in dem »Novellenbuche« (4 Bde., Lpz. 1834–37) gegeben. In der neuern deutschen Literatur ist die Novellenform vorzugsweise, jedoch meist erweitert angewendet worden und man hat darin die anziehendsten Fragen über Kunst und Leben zu behandeln versucht und nach Göthe, H. von Kleist, L. Tieck, haben besonders W. Alexis, Leop. Schefer, von Arnim, Steffens, Sternberg Ausgezeichnetes geleistet. Die Engländer brauchen Novelle jetzt gleichbedeutend mit Roman. – Novellen, lat. Novellae, heißen in der rechtswissenschaftlichen Literatur die nach 534 erschienenen Verordnungen der griech. Kaiser.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 309.
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