Boccaccio

Boccaccio

[276] Boccaccio (Giovanni), im Deutschen gewöhnlich Boccaz genannt, ein ital. Schriftsteller aus der Zeit, wo die alte griech. und röm. Literatur in Italien wieder aufzuleben begann, wurde als natürlicher Sohn eines florentin. Kaufmanns und einer Französin 1313 in Paris geboren, allein frühzeitig nach Florenz gebracht und daselbst erzogen.

Als Knabe schon ließ B. große Neigung zur Dichtkunst bemerken, mußte aber dem väterlichen Willen zufolge im 10. Jahre nach Paris zurückkehren und die Handlung lernen. Nach sechsjährigem Aufenthalte, während dessen B. sich mit der auf seine eignen Schriften später einflußreichen altromantischen franz. Literatur vertraut machte, kam er nach Neapel, wo er vorzugsweise den Umgang der von dem Kunst und Wissenschaft liebenden Könige Robert an seinen Hof gezogenen Gelehrten suchte; auch gewann er die Gunst einer natürlichen Tochter desselben, der er in seinen Werken unter dem Namen Fiametta vielfältig huldigt. Indessen sprach B. doch erst im 28. Jahre so bestimmt aus, er wolle sich dem gelehrten Stande widmen, daß sein Vater endlich einwilligte, allein verlangte, er solle das kanonische Recht studiren. Dies hielt ihn aber nicht ab, sich bald mit allem Eifer sprachwissenschaftlichen und geschichtlichen Studien hinzugeben und durch mehre lat. Schriften über Mythologie, Geschichte und Geographie des classischen Alterthums zur Verbreitung der Kenntniß desselben beizutragen. Der Eindruck, welchen Virgil's Grabmal bei Neapel auf ihn machte und der Ruhm Petrarca's, seines spätern treuen Freundes, veranlaßten B., sich ganz der Dichtkunst hinzugeben. Es erschienen nun von ihm Gedichte und Romane in seiner Muttersprache, von denen letztere vorzüglich viele Leser fanden, aber alle seine übrigen Schriften verdunkelte seine auch mehrmals ins Deutsche übersetzte Sammlung von 100 Novellen, die den Titel »Decameron« führt. Er schildert darin Menschen aus allen Ständen, von allen Gesinnungen und Zustände der heitersten, ausgelassensten und rührendsten Gattung. Er hat zugleich in seinen Schriften und namentlich in der letztern eine bis dahin unbekannte Vollkommenheit des sprachlichen Ausdrucks erreicht, was ihm den Namen des »vortrefflichsten Dichters und Redners« von seinen Zeitgenossen verschaffte. Nach seines Vaters Tode war B. nach Florenz zurückgekehrt, wo man ihn vielfach auszeichnete und die Regierung ihm mehrmals Gesandtschaften übertrug. Später bewohnte er zur Herstellung seiner Gesundheit ein Landgut in dem toscan. Dorfe Certaldo, woher sein Vater stammte, daher er sich auch selbst da Certaldo nannte. B. erhielt zuerst die in ihrer Art einzige Lehrstelle für die Erklärung der göttlichen Komödie des Dante (s.d.), welche in Florenz neu gegründet worden war, starb aber schon zwei Jahre darauf im Dec. 1375 auf seinem Landsitze.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 276.
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