Seetzen

[154] Seetzen (Ulrich Jaspar), berühmt durch seine Reisen im Oriente, wurde 1767 in Sophiengroden in der Herrschaft Jever geboren. Er studirte 1785–88 zu Göttingen, zunächst Medicin und Naturwissenschaften, daneben aber auch, da er schon damals für den Plan einer Reise durch den Orient und besonders das noch unbekannte Afrika begeistert war und durch namhafte Männer, wie Blumenbach und Eichhorn, darin bestärkt wurde, Alterthums- und Sprachwissenschaften. Zunächst erweiterte er seine Kenntnisse und stärkte seinen Beobachtungsgeist auf einer Reise durch Deutschland und Holland, machte wichtige Bekanntschaften, erlangte durch den Baron von Zach eine jährliche Unterstützungssumme vom Herzog von Gotha für seinen großen Plan, und trat 1802, seine Stelle als Kammerassessor in Jever, zu der er kurz vorher ernannt war, aufgebend, mit einem Schatze von Kenntnissen ausgerüstet, mit Empfehlungen versehen und mit wichtigen Aufträgen beehrt, seine Reise an – von der er nicht wiederkehren sollte. Am 12. Dec. 1802 kam er in Konstantinopel an und setzte dann, nach sechsmonatlichen Vorbereitungen, nach Asien über. Seine Entdeckungen sind theils darum von besonderer Wichtigkeit, weil ihm seine ausgezeichneten Kenntnisse und sein längerer Aufenthalt an den meisten Orten eine seltene Gründlichkeit möglich machte, theils weil sie Gegenden und Sehenswürdigkeiten betreffen, von denen viele weder vorher noch nachher von Europäern untersucht worden. Im J. 1803 langte er in Haleb an, und verweilte, sich immer mehr die arab. Sprache und die arab. Sitten aneignend, bis 1807 in Syrien und Palästina, untersuchte viele noch nie betretene Städteruinen, wodurch auf manche Partieen der alten Geographie neues Licht gefallen ist, namentlich östl. vom Jordan und todten Meere, durchstrich auch den Libanon und Antilibanon, und lernte die dortigen Völkerschaften und Sekten kennen. Im Apr. 1807 bestieg er den Sinai, Horeb und St.-Katharinenberg und ging dann über Suez nach Kairo, wo er zwei Jahre verweilte. Im J. 1809 trat er seine Wanderungen durch Arabien an, die besonders darum so interessant geworden sind, weil S. zu den wenigen Europäern gehört, denen es gelungen ist, die heiligen Städte zu sehen. Er war zu dem Zwecke, indessen nur zum Scheine, zum Islam übergetreten. So war er zweimal in Mekka, einmal zur Zeit der großen Wallfahrt, und in Medina, und konnte selbst Pläne von der Stadt und den merkwürdigsten Gebäuden, namentlich von der Kaaba in Mekka und der Grabkapelle des Propheten in Medina, entwerfen. Sein Brief aus Mockha an von Lindenau in Gotha, vom 17. Nov. 1810, ist die letzte von ihm selbst nach Europa gelangte Nachricht. Nachdem man vier Jahre über sein Schicksal in völliger Ungewißheit geschwebt hatte, erhielt Herr von Hammer in Wien 1815 durch einen engl. Reisenden aus Mockha die Nachricht, daß S. im Oct. 1811 in der Nähe von Taes plötzlich gestorben sei, wie man allgemein glaubte, auf Befehl des Imams von Sana vergiftet. Einzelne Ergebnisse seiner Reise hat er in Abhandlungen, die er in Syrien verfaßte und zum Drucke in die »Monatliche Correspondenz« und in die »Fundgruben des Orients« einschickte, bekannt gemacht. Anderes ist theils nach seinem Tode herausgegeben worden, theils wird es noch erwartet. Auch ist sein Tagebuch, das sich fast vollständig erhalten hat, noch nicht erschienen. Die namentlich an Handschriften reiche orientalische Sammlung in Gotha ist von S., im Auftrage des Herzogs, während seines Aufenthalts in Kairo begründet worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 154.
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