Thierdienst

[417] Thierdienst (der) bezeichnet eine der niedrigsten Stufen der Religion, auf welcher der Mensch Thieren eine besondere göttliche Verehrung widmet. Der schädliche und wohlthätige Einfluß der Thiere mochte für den Menschen die nächste Veranlassung gewesen sein, denselben eine religiöse Bedeutung zu geben, und in ihnen eine Art höherer Mächte anzuerkennen, denen er aus Furcht oder Hinneigung sich unterwerfen zu müssen glaubte. Den alten Ägyptern galt der [417] Ibis, weil er das Land von Schlangen und schädlichem Ungeziefer reinigte, für einen heiligen und unverletzlichen Vogel und der heilige Stier Apis wurde von ihnen als Bild des Gottes Osiris, den man als den Urheber des Ackerbaus ansah, verehrt. Bei höherer Bildung machte man die Thiere zu Symbolen des Göttlichen oder der Gottheiten; daher die thierköpfigen Götter bei den Ägyptern, z.B. Anubis mit einem Hunds-, Osiris mit einem Habichts-, Isis mit einem Stierkopfe. Ebenso erscheinen noch jetzt den Indiern viele Thiere als heilig, die großen Affen, von denen ganze Scharen von den Brahminen gefüttert werden, der Elefant, als Symbol der Klugheit und Stärke, der Habicht, der Käfer, dessen krumme Hörner und Glanzflügel die Sonne und die Planeten darstellen sollen, der Rabe, als Symbol der Seelen der Verstorbenen, die Schlange, der Ochs, die Kuh, welche als Symbol der Allmutter Bhawani angesehen wird und bei Todesstrafe von Niemand getödtet werden darf. Dem Thierdienste liegt die nothwendige Unterwerfung des Menschen unter die sinnlichen Einwirkungen der Natur zu Grunde und er herrscht, so lange der Mensch noch nicht zum Gefühl der eignen Freiheit und Vernunft erwacht ist. Vorstellungen von einer höhern Bedeutung gewisser Thiere. namentlich Vögel, finden sich auch im Aberglauben christlicher Völker, nach welchem z.B. Raben und Eulen als dunkle Schicksalsvögel angesehen werden und der Storch das Ausbrechen des Feuers in einem Hause hindern soll, auf dem er sein Nest hat.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 417-418.
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