Blindheit

[96] Blindheit nennt man den Zustand des Auges, in welchem Mangel oder Verlust des Sehvermögens vorhanden ist. Sie ist keine besondere Krankheit, sondern nur ein Symptom andrer Augenaffektionen, welche entweder das Eindringen der Lichtstrahlen in die Augen hindern, oder die Nervenhaut des Auges ihrer Sensibilität oder des Vermögens berauben, den Lichteindruck zu empfangen. Blindheit ist angeboren oder später entstanden, vollkommen oder nur theilweise, im höhern oder niedern Grade, bei Tage oder nur bei Nacht vorhanden; man findet sie, außer bei denen, die besonders auf die Augen schädlich einwirkende Künste und Gewerbe treiben, wie z. B. bei Schmieden, Glas- und Hüttenarbeitern, Uhrmachern u. A., am meisten in den nördlichsten und südlichsten Gegenden. – Namentlich im Verlaufe des letzten Jahrhunderts sind in den bedeutendsten Städten Europa's Blindenanstalten entstanden. Die älteste und größte befindet sich in Paris; sie ist für 300 Kranke eingerichtet,[96] und ward von Ludwig dem Heiligen nach seiner Rückkehr aus dem Kreuzzuge gegründet. Andere dergleichen Institute finden sich in London, Edinburg, Liverpool, Petersburg, Wien, Berlin, Prag, Dresden, Amsterdam, Kopenhagen und Zürich. Schon 1669 erfand der Arzt Bernoulli in Genf eine Vorrichtung, Blinde schreiben zu lehren, ebenso Fräulein Paradis in Wien tastbare Hilfsmittel zum Notensetzen,-lesen und-schreiben. Der berühmte Blinde Saunderson verfertigte bereits vor 200 Jahren ein Rechnenbret, worauf er durch Nadeln die Zahlen bezeichnete, und dieselben vermittelst gezogener Schnüre bewegte und versetzte. Bei Blindgebornen finden sich die übrigen Sinne bedeutend verstärkt, und namentlich sind Gehör und Gefühl schärfer ausgebildet. Saunderson unterschied durch das Gefühl richtige Geldstücke von falschen, wenn auch die letztern selbst ein geübtes Auge betrügen konnten. In der neuesten Zeit hat ein blinder Reisender, James Holmann, engl. Marinelieutenant, der ganz Europa durchreist hat, und vor zwei Jahren von einer Reise um die Welt nach England zurückgekehrt ist, allgemeine Aufmerksamkeit erregt. Derselbe beschäftigt sich gegenwärtig mit der Herausgabe seiner Reisebeschreibung, von der bereits der erste Band erschienen ist.

D–R.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 96-97.
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