Geldwesen, Finanzen und Abgaben

[73] Die im Perserreich vereinigten Gebiete standen ökonomisch auf sehr verschiedener Entwicklungsstufe. In der griechisch-lydischen Welt war seit länger als einem Jahrhundert die Münze und damit die entwickeltste Form des Geldverkehrs zur Herrschaft gelangt (Bd. III2 S. 507f.. Von hier aus ist sie früh nach Lykien und Cypern, im 5. Jahrhundert weiter in die kilikischen Handelsstädte und nach Gaza gedrungen. Demgegenüber steht das große vorderasiatisch-ägyptische Handelsgebiet, in dem seit Jahrtausenden der Gebrauch der Edelmetalle als Wertmesser in Barrenform fest geregelt war; hier kursierten sie nicht in der kurrenten, vom [73] Staat geprägten und als gesetzliches Zahlungsmittel gesicherten Münzform, sondern als Gewichtsstücke, die in festen Formen, als Ringe, Platten, Schmuckstücke u.a. im Verkehr umliefen, aber bei der Zahlung wie jede andere Ware nachgewogen werden mußten. Wie schwer der Handelsverkehr seine Gewohnheiten ändert, zeigt sich hier besonders deutlich. Erst sehr spät und offenbar nach langem Sträuben hat man sich in diesen Gebieten (und ebenso in Karthago) entschlossen, die Erfindung der Münze anzunehmen: die Geldprägung der phönikischen Städte reicht nicht über das 4. Jahrhundert hinauf, noch später und nur ganz vereinzelt ist im syrischen Binnenlande geprägt worden, z.B. in Hierapolis-Bambyke (o. S. 52); in Ägypten und Babylonien ist (abgesehen von dem Silber des Aryandes) in der Perserzeit überhaupt nicht geprägt worden. Hier begnügte man sich mit den Münzen, welche von den Küstengebieten und vom Reich in Umlauf gesetzt wurden. Allzu groß ist übrigens der Unterschied der beiden Gebiete nicht. Denn die Münzen werden überall nach dem Gewichtssystem des Prägorts ausgeprägt und haben nur in diesem Zwangskurs; alle anderen zum Teil nach ganz anderem Fuß oder unterwertig geprägten Stücke müssen auch hier nachgewogen werden. Bei größeren Zahlungen muß sich jeder ohnehin durch Nachwägung gegen Verluste schützen, während im Kleinverkehr die Barren ebensogut wie die verschiedenen Münzsorten auf Treu und Glauben in Zahlung genommen wurden. – In den Gebieten dagegen, welche erst seit kurzem oder noch gar nicht in die Kultur eingetreten waren, herrschte noch durchaus Tauschverkehr und Naturalwirtschaft. Nur im indischen Grenzgebiet hat die Münze sofort Eingang gefunden (u. S. 92); hier im fernen Osten, durch einen weiten Zwischenraum von dem Bereich des abendländischen Verkehrs getrennt und doch von ihm beeinflußt, hat sich ein selbständiges Gebiet des Geldverkehrs und der Münzprägung gebildet. In dem ganzen übrigen Osten, auch im Heimatlande der Perser selbst, hat unter den Achämeniden das Geld nur in sehr beschränktem Umfang Eingang gefunden, und zwar fast nur die großen Goldstücke – z.B. bei den Goldspenden der Könige an die Perser in der Heimat (o. S. 28). Das gilt überhaupt für [74] die ganze Entwicklung des Geldverkehrs. Während für die Bedürfnisse des täglichen Lebens in weiten Gebieten der Tausch und die Naturallieferungen noch völlig ausreichten, mußte es dem Kaufmann oder dem Söldner sehr erwünscht sein, seinen Gewinn oder seine Ersparnisse in wenigen Goldstücken bei sich tragen und nach Hause nehmen zu können. Daher kommt es, daß die Geldprägung mit großen Gold-und Elektronstücken beginnt und man erst verhältnismäßig spät zur Ausgabe von Teilstücken und Scheidemünzen fortgeschritten ist108.

In diese Verhältnisse hat Darius energisch ordnend eingegriffen. Zwar an eine Aufhebung all der lokalen Prägungen und Gewichtssysteme, die mit den Gewohnheiten und Verkehrseinrichtungen der einzelnen Gemeinwesen aufs engste verknüpft waren, war nicht zu denken. Aber über ihnen schuf Darius, ähnlich wie es Krösos für das lydische Reich getan hatte (Bd. III2 S. 169f., eine neue Reichswährung109. Zugleich entzog er den untertänigen Gemeinden und Dynasten das Recht der Goldprägung und erhob dieselbe zum Reichsregal. Die neue Goldmünze, der Dareikos, ist wie das Goldstück des Krösos ein Dreitausendstel, d.i. ein Stater, des persisch-euböischen Talents von 25,20 Kilogramm, die Hälfte des bei den Griechen kursierenden [75] Goldstaters von Phokäa; sie wird aber möglichst rein und etwas schwerer ausgebracht als der Kröseische Stater, zum Gewicht von 8,4 Gramm110. Der Dareikos hat mithin einen heutigen Goldwert von 231/2 Mark (genau 23,44 Mark). Als Münzbild trägt er das Bild des Königs als knienden Bogenschützen. Daneben wird ein Silberstück von 5,6 Gramm ausgegeben, meist mit gleicher Prägung, der medische (d.h. persische) Scheqel (σίγλος Μηδικός), der nach dem Verhältnis von Gold zu Silber = 131/3: 1 ein Zwanzigstel des Dareikos darstellt, also nach damaligem Kurswert 1,17 Mark (nach heutigem Silberwert natürlich beträchtlich weniger); ihm entspricht ein Silbertalent (= 6000 Siglen) von 33,6 Kilogramm, das sog. babylonische Talent111. Gerechnet wird immer entweder nach Golddareiken oder nach Silbertalenten und Silberminen. Die Silbermine enthält 100 Silberšeqel oder 5 Dareiken, also nach Goldwert 117 Mark; das Silbertalent 6000 Silberšeqel oder 300 Dareiken, also nach Goldwert 7030 Mark; 10 Silbertalente sind also gleich einem Goldtalent112. In diesen Münzen [76] werden alle Zahlungen vom und an den Staat geleistet. Durch die Münzordnung des Darius ist das Reich zur reinen Goldwährung übergegangen. Innerhalb desselben beherrscht der Dareikos den Großverkehr vollständig; auch über seine Grenzen hinaus hat er in der griechischen Welt weite Verbreitung gefunden. Die Silberprägung und, wo ein Bedürfnis vorhanden ist, auch die Kupferprägung – das Elektron wird im Perserreich nicht mehr als Münzmetall benutzt – stand dagegen auch den einzelnen Gemeinden nach wie vor frei und wird in weitem Umfange nicht nur von den Städten und Dynasten, sondern, wenn ein Bedürfnis vorliegt, z.B. für die Löhnung von Soldtruppen, auch von Satrapen und Generalen geübt113. Aber die von ihnen geprägten Münzen werden von den Reichskassen nur als Ware, nicht als Geld angenommen.

»Unter Kyros und Kambyses«, erzählt Herodot (III 89), »war über die Tribute nichts festgesetzt, sondern die Untertanen brachten Geschenke.« Freilich, daß die Abgaben nicht weiter erhoben worden wären, die früher im babylonischen, medischen, lydischen Reich gezahlt wurden, ist undenkbar, und Herodot selbst berichtet, daß der magische Usurpator sein Regiment mit einem dreijährigen Steuererlaß eröffnet habe (III 67). Daneben gewährte die unermeßliche Kriegsbeute reiche Mittel für die Bedürfnisse der Regierung und die großen Geschenke, welche Kyros dem herrschenden Volk zuwandte. Soweit das nicht ausreichte, wird man Kontributionen [77] gefordert haben, namentlich im Kriege, wo die Verpflegung des Heeres von den Untertanen geliefert werden mußte. Im übrigen aber war es Pflicht der Untertanen, dem Herrscher freiwillig Gaben und reiche Geschenke darzubringen in weit höherem Maße als die Perser selbst (s.o. S. 27f.). Das persische Volk hat den schönen Zeiten des »Vaters« Kyros noch lange ein dankbares Gedächtnis bewahrt, und von den Untertanen mögen nur einzelne, die besonders schwer betroffen wurden, die Anforderungen als Härte empfunden haben. Aber ein geordnetes Regiment konnte dabei auf die Dauer nicht bestehen; als die Zeit der Kriege und Eroberungen zu Ende ging, war eine feste Organisation unentbehrlich. Darius hat die Aufgabe erfaßt und durchgeführt114. Mochten die Perser ihn den Krämer schelten, weil er an Stelle der genialen Freigebigkeit des Kyros ein geordnetes Rechnungswesen setzte, durch seine Reichsorganisation hat er sich mehr noch als durch seine Kriegstaten den Platz zur Seite des Reichsgründers gewonnen.

In Darius' Steuerordnung sind die Bedürfnisse der Naturalwirtschaft und der Geldwirtschaft miteinander verbunden. Für jede der zwanzig großen Satrapien, in die er die Gebiete der Untertanen zerlegt hat, hat er einen Jahrestribut in Geld festgesetzt, der vom Grundbesitz, also als Grundsteuer, gezahlt wird. Daher wird der Grund und Boden durch das ganze Reich katastralisch vermessen und die Abgabe auf die Grundstücke festgelegt. Wo eine Gemeindeorganisation besteht, erheben die Gemeindeorgane den Tribut und liefern ihn an den Satrapen ab; auf dem Lande wird er von den Beamten der Satrapen direkt erhoben. Die Steuersätze, welche Darius festgelegt hat, sind bis zum Ende des Perserreichs unverändert geblieben. Die uns überlieferten [78] Sätze für die einzelnen Satrapien sind allerdings nicht vollständig gleichwertig, da uns nur die Summen gegeben werden, welche in den Königsschatz abgeführt wurden, nach Abzug der in der Provinz für Reichszwecke aus den Steuern verwandten Summen. So hatten z.B. die Kiliker außer den an den König abgelieferten 360 Silbertalenten (2530800 Mark) noch 140 Talente (984200 Mark) für die im Lande stehende Reiterei aufzubringen. Ebenso hatten die Babylonier den Sold für die Besatzung zu zahlen. Ähnliches mag öfter vorgekommen sein, obwohl in der Regel die Verpflegung der Truppen in Naturalien geliefert wurde. Auf der anderen Seite wissen wir nicht, ob nicht in manchen Fällen die Erträgnisse von Bergwerken und anderen Regalien mit eingerechnet sind, so z.B. bei der 14. Satrapie, die Karmanien, Drangiana und den Hauptteil der iranischen Wüste, also ein zwar sehr ausgedehntes, aber nur an wenigen Stellen fruchtbares und dichter bewohntes Gebiet umfaßt; trotzdem ist für sie der hohe Satz von 600 Talenten = 4218000 Mark überliefert. Trotz dieser Bedenken gewähren die überlieferten Sätze einen Überblick über die ökonomischen Verhältnisse und die Leistungsfähigkeit des Reichs. Den höchsten Tribut zahlte Babylonien: 1000 Silbertalente (7030000 Mark). Dann folgt Ägypten mit Kyrene mit 700 Talenten (4921000 Mark). Susiana zahlt nur 300 Talente (2109000 Mark), die syrischen Lande einschließlich Phönikiens, Palästinas und Cyperns nur 350 Talente (2460500 Mark) – hier mögen andere Ausgaben, für das Heer, den Grund des auffallend niedrigen Satzes bilden. In Kleinasien zahlen die Küstensatrapien, obwohl weitaus die kleinsten, nächst Ägypten und Babylon im Verhältnis zur Grundfläche weitaus die höchsten Steuern: die erste Satrapie, Karien und die griechischen und lykischen Küstenstädte, 400 Talente (2812000 Mark), die zweite, Lydien mit Mysien, 500 Talente (3515000 Mark). Die dritte Satrapie, Phrygien und Kappadokien, zahlt 360 Talente (2530800 Mark), Kilikien ebensoviel; die vier kleinasiatischen Satrapien zusammen also 1620 Talente (11388600 Mark). Weit niedriger sind die Sätze für die ausgedehnten, aber wenig entwickelten und zum Teil unfruchtbaren und sehr dünn bevölkerten Gebiete des Ostens. [79] Armenien und Medien mit den Nachbarlanden, zusammen fünf Provinzen (10., 11., 13., 18., 19.), zahlen 1550 Talente (10896500 Mark), die sechs Satrapien des östlichen Irans 2080 Talente (14622400 Mark), also ein Gebiet von mehr als dem vierfachen Umfang Kleinasiens nur ein Viertel mehr Steuern als dieses. Die Gesamtsumme dieser 19 Satrapien ergibt einen Jahresertrag von 7600 babylonischen Silbertalenten (53428000 Mark). Dazu kam das Gold, welches die von Darius unterworfenen Inder des unteren Kabultals und des mittleren Indus dem Königsschatz zuführten, das teils aus dem Sande der goldreichen Gebirgsbäche, teils aus Hochasien gewonnen wurde. Herodot gibt seinen Ertrag auf jährlich 360 euböische Goldtalente (25308000 Mark) an, also täglich ein Talent; doch ist das wohl nur eine sehr hochgegriffene, höchstens in Ausnahmefällen einmal erreichte Schätzung115.

Neben dem Tribut hat jede Provinz Naturalabgaben an den König zu liefern. Zufällig bekannt ist uns, daß Kappadokien jährlich »außer dem Silbertribut 1500 Pferde, 2000 Maultiere, 50000 Schafe, Medien nahezu das Doppelte zu liefern hatte.« In Medien, im nisäischen Gefilde an den Vorhöhen des Zagros, lag das berühmte königliche Gestüt, in dem die besten Pferde [80] der Welt gezüchtet wurden, angeblich zu Zeiten bis zu 150000. Die Kiliker hatten 360 weiße Pferde zu liefern, ähnlich z.B. ein Dorf in Armenien und die Stadt Aspendos in Pamphylien116. Babylon lieferte 500 Verschnittene, die dem Reiche untertänigen Araber, von denen ein Geldtribut nicht erhoben wurde, 1000 Talente Weihrauch, die Äthiopen (Kuschiten) oberhalb Ägyptens alle zwei Jahre zwei Choinix, d.i. ungefähr zwei Liter rohes Gold, 200 Stämme Ebenholz, 20 große Elefantenzähne und fünf Negerknaben. Gleichartig ist der indische Goldtribut. Aber weit wichtiger noch ist, daß die ganze Verpflegung des Hofs mit Einschluß seiner Beamten und all der Perser, die »an der Tafel des Königs speisen«, sowie der Garde und der übrigen Truppen der königlichen Armee aus den Naturallieferungen der Provinzen bestritten wird. »Außer dem Tribut ist die Verpflegung des Königs und des Heeres auf alle Länder, die ihm untertan sind, verteilt«, sagt Herodot I 192; und zwar liefert Babylonien die Verpflegung für vier, das übrige Asien für die acht anderen Monate. Einzelne Leistungen sind bestimmten Gemeinden oder Ortschaften ausschließlich auferlegt, die dann wohl keine weiteren Abgaben zu zahlen haben – ähnlich wie der König seinen Günstlingen Ortschaften »für Wein und Brot« schenkt. So liefert Assos in Äolis den Weizen für die königliche Tafel, Chalybon (Chelbon) bei Damaskos den Wein; das Wasser des Choaspes (nach anderen des Euläos) von Susa wird dem König auch im Kriege überallhin nachgeführt. Das Schuhwerk der Königin hat der Ort Anthylla in Ägypten zu liefern, den Gürtel (d.i. den Schmuck) der Königinmutter Dörfer in Nordsyrien, andere Lieferungen Dörfer am Tigris nördlich von Opis117. »Was es im Perserreich an Naturprodukten und Erzeugnissen des Gewerbfleißes gibt,« sagt Theopomp fr. 263 J., »kommt als Geschenk an den König, Teppiche, Gewänder, Zelte, Sofas von kostbarster Arbeit, goldene und silberne[81] Gefäße, ungezählte Tausende von Waffen, dazu Lasttiere und Schlachtvieh, ferner Gewürz, Seide, Papier und alles, was man sonst irgend verwenden kann. Aus dem gepökelten Fleisch, das an den Hof geliefert wird, werden solche Haufen aufgeschichtet, daß man sie von fern für Hügel und Höhenzüge hält.» Dazu kommt dann noch die Verpflegung des Königs und seines Hofs bei Reisen und Kriegsfahrten. «Wenn der König in ein untertäniges Gebiet kommt,» berichtet Theopomp (fr. 113 J.), »haben die Bewohner für seine Mahlzeit zwanzig, dreißig und oft noch viel mehr Talente auszugeben; denn für jede Stadt ist nach ihrer Größe wie der Tribut so auch ihre Lieferung für die Mahlzeit (falls sie den König zu Gast hat) seit alters festgesetzt«118.

Zu diesen Einkünften kommen die vom König erhobenen Zölle und Weggelder; ferner die Erträgnisse der Domänen und Regalien, so des Fischfangs aus dem Kanal, der vom Niltal zum Mörissee führt – Herodot schätzt ihn während der sechs Monate des hohen Wasserstandes auf täglich 1 Silbertalent, in den sechs anderen auf 20 Minen täglich (II 149) –, die Abgaben von dem großen Wasserreservoir am Herirûd (u. S. 103), dazu gewiß die Ausbeute von Bergwerken (z.B. der karmanischen Gruben, aus denen Gold, Silber, Kupfer, Messig, ferner Arsenik und Salz gewonnen wurde, Onesikritos bei Strabo XV 3, 14), ferner die Erträgnisse der Paradiese, der königlichen Wälder und Pflanzungen. »Tribut, Naturalabgaben und Zölle« bilden das »Einkommen des Königs« oder das »Königshaus«119. Sie werden unter Aufsicht [82] der Statthalter von den »Schatzträgern« (ganzabara = γαζοφύλαξ)120 erhoben und verwaltet; Anordnungen des Königs, z.B. über die der Priesterschaft von Jerusalem verliehene Steuerfreiheit, werden ihnen zugestellt. Zahlungen, die der König zu leisten hat, z.B. für Opfer in seinem Namen in staatlich anerkannten Heiligtümern oder für den Bau und die Ausrüstung des Tempels von Jerusalem, werden auf die Tribute der Provinz angewiesen und aus dem »Königsschatz« oder »Königshaus« bestritten. Ein Teil der eingehenden Gelder bleibt in der Provinz; die Hauptmasse wird in die großen Schatzhäuser von Susa und Persepolis abgeliefert.

»Den Tribut«, berichtet Herodot (III 96), »bewahrt der König folgendermaßen: er läßt das Metall einschmelzen und in Tonfässer gießen, und wenn das Gefäß voll ist, wird der Ton abgenommen. Wenn er aber Geld braucht, läßt er so viel davon abschlagen, wie er jedesmal nötig hat.« In Susa hat nach Polyklet (Strabo XV 3, 21) »jeder König sich auf der Burg ein besonderes Wohnhaus und ein Schatzhaus gebaut, mit einem Bericht über die von ihm erhobenen Abgaben. Das meiste Gold und Silber war zu Geräten verarbeitet, nur wenig zu Geld ausgeprägt; denn jene galten als geeigneter für Geschenke wie für die Bewahrung der Kostbarkeiten; von geprägtem Gelde brauche man nicht mehr, als was für die Bedürfnisse des Reichs ausreiche, dann werde wieder entsprechend den Ausgaben neues geprägt«. Daher fanden sich ungeheuere Metallmassen in Barren in diesen Schatzhäusern aufgespeichert. Nachdem Darius III. gewaltige Summen in den Krieg mitgeführt und verloren und überdies noch, wie es heißt, 8000 Talente auf die Flucht mitgenommen hatte, soll Alexander in Susa noch über 40000 Silbertalente Edelmetall (281 Millionen Mark), [83] dazu 9000 Talente in Dareiken (63 Millionen Mark), in Persepolis gar 120000 Talente (8431/2 Millionen Mark) und dazu 6000 (42 Millionen Mark) im Schatzhaus des Kyros in Pasargadä vorgefunden haben; die Gesamtsumme der Schätze, die er nach Egbatana zusammenbringen ließ, wird auf 180000 Talente (1265 Millionen Mark) angegeben121. Dazu kamen die sonstigen Kostbarkeiten aller Art, z.B. in Susa nicht weniger als 5000 Talente Purpurstoff aus Hermione, die seit dem ersten Darius hier gelegen haben sollen (Plut. Alex. 36). Man sieht, wie wenig Geld verhältnismäßig für Reichszwecke gebraucht wurde. Fast nur in Kriegszeiten wird es zu größeren Geldausgaben gekommen sein; im Frieden mag weit mehr Edelmetall für die Geschenke des Königs an seine Magnaten und sein Volk als für andere Bedürfnisse verwendet worden sein122.

Um so größer waren die Naturalausgaben des Königs. 15000 Menschen, heißt es, werden täglich am Tisch des Königs gespeist. »Wenn man die sogenannte Mahlzeit des Königs beschreiben hört,« sagt Heraklides von Kyme, der sorgfältigste Berichterstatter, »scheint sie sehr luxuriös zu sein; bei genauerer Betrachtung erweist sie sich aber als durchaus ökonomisch eingerichtet; und dasselbe gilt von den übrigen Persern, die eine Machtstellung einnehmen. Täglich werden für den König 1000 Tiere aller Art geschlachtet ... Davon wird jedem Tischgenossen eine mäßige Portion vorgesetzt, und was er etwa übrigläßt, nimmt er mit nach Hause. Das meiste Schlachtvieh und die sonstigen Lebensmittel aber werden den Leibwächtern und den übrigen Truppen des Königs auf den Hof hinausgebracht, und die Truchsesse verteilen [84] hier Fleisch und Brot in gleiche Portionen. Wie in Griechenland die Söldner mit Geld besoldet werden, so erhalten diese vom König die Lebensmittel in Verrechnung. Ebenso werden bei den übrigen persischen Machthabern alle Speisen zusammen auf die Tafel gesetzt; wenn dann die Tischgenossen gespeist haben, verteilt der Tafelwart, was übrigbleibt, meist Fleisch und Brot, unter die Hausleute, und so erhält jeder sein tägliches Brot. Zum König jedoch kommen die angesehensten Tischgenossen nur zur Frühmahlzeit; ein zweites Mal zu kommen ist ihnen erlassen, damit auch sie ihre Tischgenossen bewirten können«123. Nach dem Bilde dieser Schilderung haben wir uns die ganze Reichsverwaltung vorzustellen. Als »die das Salz des Palastes essen« (Ezra 4, 14) oder »die des Königs Brot (patibâǵa) essen« werden die persischen Beamten bezeichnet124.

Die asiatischen Provinzen des Achämenidenreichs haben gegenwärtig etwa 35 Millionen Einwohner bei einem Umfang von annähernd 5 Millionen Quadratkilometer. Im Altertum ist die Bevölkerung nicht nur in den westlichen Provinzen, sondern auch in Iran beträchtlich stärker anzusetzen. Außerdem kommt Ägypten mit etwa 6-7 Millionen hinzu. So kann die Gesamtbevölkerung des Achämenidenreichs auf mindestens etwa 50 Millionen angeschlagen werden. Darunter werden die Perser (im engeren Sinne, die Bewohner des eigentlichen Persis) nicht viel mehr als eine halbe Million ausgemacht haben; bei Xenophon Cyr. I 2, 15 werden die erwachsenen Perser auf ungefähr 120000 geschätzt. Die Geldabgabe der Untertanen an den König wird sich daher auf rund [85] 1 Siglos oder 1 Mark auf den Kopf belaufen haben125. Freilich gibt diese Schätzung nur einen sehr unsicheren Maßstab, da es sich um eine Grundsteuer handelt, also ein Teil der Bevölkerung, namentlich in den Städten, von ihr nicht betroffen wird. Außerdem fallen die zahlreichen eximierten Gebiete aus, sowohl die mit Steuerfreiheit beschenkten Tempelgüter wie die zu vollem Privatbesitz überwiesenen Länder und Gemeinden. Andererseits sind die Lasten der Untertanen mit Tribut und Naturallieferungen keineswegs erschöpft. Hinzu kommen Frondienste, z.B. für die königlichen Parks126, sodann wenigstens in manchen Fällen die Verpflegung der stehenden Besatzungen – so haben die Kiliker für die Reiterei 140 Talente aufzubringen, die Ägypter und Babylonier außer dem Tribut das Getreide für die Truppen zu liefern127 –; endlich und vor allem die Leistungen für den Satrapen und die übrigen persischen Beamten (o. S. 58). Wo neben und unter der Reichsregierung eine Selbstverwaltung besteht, sei es in anerkannter Form, sei es nur geduldet als freie Vereinigung, wie bei der jüdischen Tempelgemeinde, kommen noch die Ausgaben für das Gemeinwesen hinzu. So ist es begreiflich, daß, wenn die Leistungen [86] an das Reich in fruchtbaren Landschaften und wohlhabenden Städten nicht besonders schwer waren, sie in ärmeren, häufig von Mißwachs und Dürre heimgesuchten Gegenden, wie bei den Juden in Palästina128, äußerst drückend empfunden und nur mit Mühe aufgebracht wurden. Hier kam es nicht selten vor, daß die Bauern zur Bezahlung der königlichen Steuer Geld auf ihre Felder und Weinberge liehen und schließlich, um ihr Leben zu fristen, ihre Kinder in die Knechtschaft verkaufen mußten. Ein Moment kommt dabei noch in Betracht: die Steuer wurde in Geld erhoben und dadurch in geldarmen Gebieten die unbemittelte Bauernschaft mit Notwendigkeit den Wucherern in die Hände getrieben.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 73-87.
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