Abälard

[4] Abälard (Abeillard), geb. 1097 in Palais bei Nantes, adeligen Stammes, zeigte früh brennende Wißbegierde und war schon als Jüngling ein leidenschaftlicher, oft siegreicher Dialectiker. In Paris war er Schüler des Wilhelm von Champeaux, überwand ihn in Disputationen und eröffnete, 22jährig, zuerst in Melun, dann in Corbeil eine Schule der Philosophie. Im 28. Jahre kam [4] er wieder nach Paris, besiegte seinen alten Lehrer abermals und eröffnete eine Schule auf dem Genofevaberge. Darauf studierte und lehrte er alsbald Theologie und erhielt noch als Laie ein Canonicat; als Lehrer der schönen, 18jährigen Heloise verführte er diese und heirathete sie später insgeheim. Heloise aber läugnete die Heirath, damit Abälard nicht in seiner Laufbahn gehemmt werde, und ging in das Kloster Argenteuil. Darüber ergrimmte ihr Oheim, ein Canonicus Fulbert in Paris, dergestalt, daß er den Abälard nachts überfallen und entmannen ließ. Abälard ging nach seiner Genesung in das Kloster St. Denys und hielt dort theolog. Vorlesungen; er wurde Priester und gab eine introductio ad theologiam heraus. Diese wurde 1121 auf der Synode von Soissons als irrthümlich verurtheilt und Abälard mußte sie verbrennen. Seine Behauptung, Dionys der Areopagite sei nicht der Apostel Galliens gewesen, bereitete ihm neue Anklagen; endlich ließ er sich bei Nogent sur Seine nieder und baute sich ein Bethaus, das er Paraklet nannte. Alsbald belebte sich die Einöde, denn es sammelten sich zahlreiche Schüler um ihn und Abälard mußte wieder Theologie lehren. Nach neuen Kämpfen wurde er 1126 Abt von St. Gildas de Ruys in der Bretagne. Aber hier erbitterte er die Mönche durch seine rigorose Strenge und 1136 erschien A. auf dem Genofevaberge abermals als Lehrer und hatte dasselbe Schicksal wie in St. Denys. Er unterwarf sich jedoch der kirchlichen Censur, versöhnte sich mit seinen Gegnern und starb den 21. Apr. 1142 in der Abtei St. Marcel bei Chalons sur Saone. Sein Leichnam wurde nach Paraklet gebracht, wo Heloise Aebtissin eines Nonnenklosters war; 1828 wurde die Asche beider in einer Kapelle des Gottesackers Père la Chaise in Paris beigesetzt. A. verdankt seinen Ruhm mehr Heloisens Liebe als seiner Philosophie; diese war keck, vermaß sich alle Mysterien zu begreifen und zu demonstriren, als ob die Glaubenslehre nur eine weitere Entwicklung der alten Philosophie wäre.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 4-5.
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