Seide

[175] Seide heißt das Gespinnst der S.nraupe (s. d.), womit sich diese vor ihrer Verpuppung umgibt. Dieses Gespinnst (Cocon) ist oval, von der Größe eines Taubeneies und besteht aus einem einzigen, auf- u. abgehenden, 800–1000' langen Faden und einer innern filzartigen Hülle, die sich nicht abwickeln läßt. Haben sich die Raupen in ihre Cocons verpuppt, so werden die Puppen durch Ofenhitze oder besser durch Dämpfe getödtet. Hierauf werden die Cocons in heißes Wasser gebracht, um den Leim, der das Gespinnst durchzieht, aufzulösen und den Faden abwindbar zu machen, dann die Fäden auf eigenen Haspeln abgehaspelt, wobei die Fäden von 8–20 Cocons zusammengenommen werden, je nach der gewünschten Stärke des S.nfadens. Man unterscheidet 3 Schichten S. am Cocon, die äußere mit gröberm Faden gibt die Floret-S, die mittlere die feine S., u. die innerste die S.nwatte. Um der S. den gehörigen Grad der Weiße zu ertheilen, kocht man sie mit Seife (degummiren). Die degummirte S. wird zuletzt gezwirnt, u. jenachdem dies mehr od. weniger stark geschieht, heißt sie Organsin od. Tram-S. – Die aus S. bereiteten Zeuge sind in ihrem Gewebe etc. äußerst mannigfaltig. Nach ihren Hauptverschiedenheiten sind sie entweder glatt, leinwandartig gewoben, wie die Taffete, Marcelline, Gros de Naples; oder geköpert, wie die Serge, Levantine, Atlasse etc.; oder façonirt, mit kleinen Blumen und Figuren, oder broschirt, mit eingewebten vielfarbigen Blumen, oder sammtartig, oder flor- und kreppartig, bei denen Kette u. Einschlagfäden weit auseinander stehen. – Die S.nzucht u. Bearbeitung der S. stammt aus China und Ostindien, wo sie uralt ist. Von da kam sie im 6. Jahrh. nach Konstantinopel und verbreitete sich in Griechenland, zur Zeit der ersten Kreuzzüge in Sicilien, von da aber wurde sie bald nach Italien, Spanien, später nach Frankreich verpflanzt, in neuerer Zeit auch nach Deutschland.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 175.
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