Swedenborg

[385] Swedenborg, Emmanuel, ein großer Gelehrter und theosophischer Schwärmer des 18. Jahrh., Stifter der S. ianer, geb. 1689 zu Stockholm, Sohn des Jasper Swedberg, Bischofs von Westgothland, hatte ein tiefreligiöses Gemüth und wurde auch sehr fromm erzogen, studierte dabei mit großem Erfolg Theologie und Philosophie sowie Naturwissenschaften, namentlich Chemie, Naturgeschichte u. Anatomie. Von 1710 an lebte S. auf Hochschulen Englands, Frankreichs, Hollands u. Deutschlands, hielt 1714 Vorlesungen zu Upsala, bewies sich in einer Sammlung von Abhandlungen (hyperboräischer Dädalus) [385] als ausgezeichneten Mathematiker und Physiker, weßhalb ihn 1716 Karl XII. zum Assessor im Bergwerkscollegium ernannte. Mit Erfolg verlegte sich S. auf mathematisch-mechanische Erfindungen, lieferte u.a. während der Belagerung von Friedrichshall 8 Seeschiffe über Berg und Thal, schrieb arithmetische u. astronomische Abhandlungen, über die Münzen u.s.f. 1719 erhob ihn die Königin Ulrike in den Adelstand, von 1720 an bereiste er die Bergwerke seines Heimathlandes sowie die des Harzes, von Sachsen, Oesterreich und Ungarn und wurde 1729 Mitglied der Akademie von Upsala. Seine Opera philosophica et mineralogica (1734, 3 Fol.) u. die nach einer abermaligen weiten Reise erschienenen Werke: Oeconomia regni animalis (1740 ff.) und Regnum animale (1744 bis 45) enthielten ein tiefdurchdachtes und auf die belebte Schöpfung, namentlich auf den Menschen angewendetes Natursystem, dem die Idee eines nothwendigen mechanischen und organischen Zusammenhanges aller Dinge, einer sog. constabilirten Harmonie zu Grunde liegt, die sich ihm aus den zahllosen Reihen und Stufen des Geschaffenen ergibt. 1743 begann die merkwürdigste und zugleich am wenigsten aufgeklärte Periode im Leben S.s; in London nämlich erschien ihm Gott der Herr, Schöpfer und Erlöser und kündigte S.en an, er sei auserwählt den Menschen den innern oder geistigen Sinn der Bibel zu erklären. Fortan glaubte sich S. ehrlich u. aufrichtig im steten unmittelbaren Verkehr mit der Geisterwelt, legte 1747 seine Aemter nieder, um lediglich der Verbreitung der Kirche des neuen Jerusalem durch Schriften und Reisen zu nützen, ließ diese Kirche am 19. Juni 1770 beginnen, nachdem er am Tage zuvor sein theologisches Hauptwerk, die »Vera christiana religio, continens universam theologiam Novae Ecclesiae« (Amst. 1771) vollendet hatte und st. 1772 zu London. Ueber das Wesen seiner Visionen ist man noch sehr unklar; sein theosophisches Lehrgebäude läuft auf einen phantastischen Rationalismus hinaus. Seine namentlich von Tübingen aus durch den Bibliothekar I. Tafel verbreiteten Schriften lehren im Ganzen: Gott sei dem Wesen u. der Person nach nur Einer, als solcher aber dreieinig, insofern er eine Seele (Vater), gottmenschlichen Leib (Sohn) und eine erwärmende und erleuchtende Kraft (heil. Geist) sei. Ferner könne Gott nur das Gute wollen und thun, das Böse aber nicht hindern, denn die Liebe erlaube es ihm nicht, Jemanden zum Guten zu zwingen. Lediglich in der Freiheit nahm das Böse seinen Ursprung, vererbte sich als Hang von Geschlecht zu Geschlecht u. richtete allmälig solche Verwüstungen in der Menschen- und Geisterwelt an, daß alle göttlichen Anstalten und Einwirkungen nicht mehr zureichten u. eine neue Kirche gestiftet werden muß. Besserung und Wiedergeburt des Menschen aber sind eine Folge der allgegenwärtigen Einwirkung des verklärten Fleisches u. Blutes des Erlösers, dem alles Verdienst u. alle Gerechtigkeit allein zukommt. – Die seit 1788 in England u. Schweden bestehende »neue Kirche« der S. ianer erwarb Anhang in Württemberg und Frankreich, namentlich in Nordamerika, war jedoch nie reich an Gläubigen und verschwindet im niemals ruhenden Strudel des Sektenwesens. – Ueber S.s Lehre schrieben u.a. A. Möhler (in der Symbolik) und I. Görres.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 385-386.
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