Swedenborg

[226] Swedenborg (eigentlich Swedberg), Emanuel von, schwed. Gelehrter und Theosoph, geb. 29. Jan. 1688 in Stockholm, gest. 29. März 1772 in London, Sohn Jesper Swedbergs, Bischofs von Westgotland, studierte in Upsala Philologie und Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften, daneben auch Theologie, bereiste 1710–14 England, Holland, Frankreich und Deutschland und ward 1716 Assessor des Bergwerkskollegiums in Stockholm, in welcher Stellung er sich burch mechanische Erfindungen hervortat. Zur Belagerung von Frederikshall schaffte er 1718 sieben Schiffe mittels Rollen fünf Stunden weit über Berg und Tal. Dies sowie seine Schriften über Algebra, Wert der Münzen, Planetenlauf, Ebbe und Flut etc. hatten zur Folge, daß die Königin Ulrike ihn 1719 unter dem Namen S. adelte. In den folgenden Jahren bereiste er die schwedischen, sächsischen sowie später auch die böhmischen und österreichischen Bergwerke. Seine »Opera philosophica et mineralogica« (1734, 3 Bde. mit 155 Kupferstichen) gaben auf der Grundlage ausgedehnter Studien über Gegenstände der Naturwissenschaft und der angewandten Mathematik ein System der Natur, dessen Mittelpunkt die Idee eines notwendigen mechanischen und organischen Zusammenhanges aller Dinge ist. Nach neuen Reisen (1736–40) durch Deutschland, Holland, Frankreich, Italien und England wendete er sein Natursystem in den Schriften: »Oeconomia regni animalis« (Lond. 1740–41), »Regnum animale« (Bd. 1 u. 2, Haag 1744; Bd. 3, Lond. 1745) und »De cultu et amore Dei« (Lond. 1740, 2 Bde.) auch auf die belebte Schöpfung, namentlich den Menschen, an. Aber schon das letztgenannte Werk war nicht mehr streng wissenschaftlich gehalten, wie sich denn S. von jetzt an ausschließlich theosophischen Studien hingab, um sich für seinen, wie er behauptete, von Gott selbst ihm eingegebenen Beruf vorzubereiten, der in der Gründung der Neuen Kirche, wie sie in der Offenbarung St. Johannis verheißen ist, bestand. S. glaubte diese Mission zu erfüllen, indem er das Wort Gottes in der. nach seinem Sinne wahren Bedeutung auslegte, ein vollständiges System einer neuen Religionslehre aufstellte und die Natur des Geisterreichs und dessen Zusammenhang mit der Menschenwelt in seltsamen Visionen enthüllte, welche die Aufmerksamkeit Kants erregten und diesen veranlaßten, S. in seinen »Träumen eines Geistersehers« (1766) für einen Erzphantasten und Schwärmer zu erklären (vgl. Rob. Zimmermann, Kant und der Spiritismus, Wien 1879). Die hauptsächlichsten Werke, die diese Lehre behandelten, waren: »Arcana coelestia« (Lond. 1749–56, 8 Bde.; hrsg. von Tafel, Tübing. 1833–42, 13 Bde.; deutsch, das. 1842–70, 16 Bde.); »De coelo et inferno« (Lond. 1758; deutsch von Tafel, 3. Aufl., Tübing. 1873); »De nova Hierosolyma et ejus doctrina« (Lond. 1758; deutsch von Tafel, Tübing. 1860); »Apocalypsis explicata« (Lond. 1761; deutsch von Tafel, Tübing. 1824–31, 4 Bde.) und »Vera christiana religio« (Lond. 1771; hrsg. von Tafel, Stuttg. 1857; deutsch von demselben, Tübing. 1855–58, 3 Bde.). »Ausgewählte Werke« Swedenborgs übersetzte Brieger-Wasservogel ins Deutsche (1. Bd., Jena 1904). Um seinen religiösen Bestrebungen ungestört leben zu können, hatte er schon 1747 seine amtliche Stellung aufgegeben, bezog jedoch eine königliche Pension. Während einer Reise, die er im Interesse seiner Lehre unternommen hatte, erkrankte er in London und starb daselbst. Die Zahl seiner Anhänger (Swedenborgianer) nahm langsam zu; sie verbreiteten sich sporadisch über Schweden, Polen, England und Deutschland; am meisten faßte die »neue Kirche« oder das »neue Jerusalem« (New Jerusalem church) in England festen Fuß, wo es 1893: 81 Gemeinden gab und die 1810 gegründete S.-Society für die Verbreitung seiner Schriften wirkt, sowie in der neuern Zeit auch in Nordamerika. Die Richtung Swedenborgs wird hier in verschiedenen Zeitschriften vertreten, so in »The New-Church Review«, »The New Church Messenger« u. a. Vorübergehend war auch Goethe von[226] S. beeinflußt (im sogen. »Urfaust«). Vgl. E. Richer, La nouvelle Jérusalem (Par. 1832–35, 8 Bde.); Tafel, Sammlung von Urkunden über Swedenborgs Leben und Charakter (Tübing. 1839–42, 3 Bdchn.) und Abriß von Swedenborgs Leben (das. 1845); Brickmann, Die Lehren der neuen Kirche (2. Aufl., Basel 1870); die Biographien von Schaarschmidt (Elberf. 1862), Matter (Par. 1863), White (2. Aufl., Lond 1874) und Ballet (Par. 1900); die anonyme Schrift »E. Swedenborgs Leben und Lehre« (Frankf. 1880); Schlieper, Emanuel Swedenborgs System der Naturphilosophie, besonders in seiner Beziehung zu Goethe-Herderschen Anschauungen (Berl. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 226-227.
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