Tuberkel

[531] Tuberkel, ist jenes allgefürchtete Afterproduct von eiweißartiger Substanz, das vorzugsweise in den Lungen der Menschen und Säugethiere sich ablagert und nach Simpson z.B. in England alle 10 Minuten Jahr aus Jahr ein einem Menschen das Leben kostet. Der Durchschnitt von vielen chemischen Analysen ergab Wright folgendes Resultat: Albumin 76, 9, Gelatine 11, 8, Fett 7, 4, phosphors., schwefels., salzs. Kalk und Natron 26, kohlens. Kalk u. Eisenoxyd Spuren, Verlust 1,4, zus. 100,4. Der T. kommt als Miliar-T. und als tuberkulöse Infiltration vor. Das Lager für den T., welcher gerne in dem Parenchym der Lungen seinen Sitz aufschlägt, indessen in allen Eingeweiden vorkommen kann, ist stets das verbindende Zellgewebe der Organe. So ist ein Lieblingssitz des T. namentlich auch das submuköse Zellgewebe. Von diesem aus drücken die T.n entweder, wie in den Verästelungen der Luftröhre, in den Lungen das Lumen der mit Schleimhaut ausgekleideten Röhre zusammen, oder wo dieses unmöglich ist durchbrechen sie die Schleimhaut u. bilden eine tuberkulöse, substanzverzehrende Geschwürfläche. Der T. entsteht zuerst aus einem flüssigen Blastem, in dem sich eine Anzahl Molekularkörner von 1/8001/1600 bilden, darauf gehen sie in Zellen oder Bläschen mit flüssigem Inhalte und granulirter Oberfläche über. Ist der T. reif, so verlieren die Zellen ihre Durchsichtigkeit. Erweicht der T., so ist der Erfolg ein zweifacher, entweder die organische Substanz wird resorbirt und die anorganischen Salze, phosphors., kohlens., schwefels. Kalk u. Natron bleiben zurück, die Theile ziehen sich zusammen, die frühere Höhle (vomica), welche die erweichte Masse füllte, verödet und um jenes Kalkconcrement bildet sich aus benachbartem Zellgewebe eine schützende Kapsel für die fernere Umgebung. Dieses ist die Naturheilung der sog tuberkulösen Schwindsucht. Sie tritt, nach vielen Narben, denen man bei Sectionen in den menschlichen Lungen begegnet, zu schließen, sehr häufig ein, bei localer Tuberkulose vielleicht immer. Geht der T. aber diese Rückbildung nach seiner Erweichung nicht ein, so ist die Zerstörung alles thierischen Gewebes, das in seiner Umgebung liegt, der andere stets mit dem Leben des Individuums endende Ausgang der Tuberkulose. Man hat alle Ursache zunächst einer sog. Säfteverderbniß, einer Dyskrasie, die Schuld an dieser Krankheit beizumessen. Einem Ueberschuß an Eiweiß und Fibrin im Blut u. einem Mangel an Cruor will man die nächste Schuld beilegen. Anlangend die mittelbaren Ursachen, so muß neben einer entschieden erblichen Anlage vorzugsweise dem Aufenthalte in schlechter Luft (ungesunde Gefängnisse, Schulstuben, Schlafen mit dem Kopf unter der Decke etc.), einer mangelhaften od. schlecht zubereiteten Nahrung, namentlich neben ungenügender, nicht schützender Kleidung, großen körperlichen wie geistigen Anstrengungen, Kummer u. Sorgen, kurz allem was direct od. indirect den Stoffwechsel schwächt, die mögliche Veranlassung zur Entwicklung von Tuberkulose zugeschrieben werden. Ob es neben der Beseitigung der ursächlichen Momente eigentlich medicamentöse Hilfsmittel gegen diese Pest des in der gemäßigten Zone lebenden Menschengeschlechts gibt, steht dahin. In Deutschland hat den meisten Ruf der Leberthran. Neben Jod, Brom u. ihren Präparaten hat man auch eine Anzahl Kohlenwasserstoffverbindungen, Naphtha etc. versucht, jener Masse von [531] Geheimmitteln nicht zu gedenken, welche die Beilagen aller Zeitungen füllen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 531-532.
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