Wallenstein

[665] Wallenstein, eigentlich Waldstein, Albrecht Wenzel Eusebius, geb. 1583 auf Hermanic in Böhmen, Sohn prot. Eltern, ward früh Waise und katholisch erzogen, bildete sich auf den Universitäten Bologna und Padua sowie durch größere Reisen, wurde durch Heirath reich, half 1616 mit einigen geworbenen Compagnien Gradisca gegen die Venetianer entsetzen, wurde 1617 Freiherr, Oberst und Hofkriegsrath, unterstützte den Kaiser in den böhmischen Unruhen und gewann durch wohlfeilen Ankauf vieler confiscirter Herrschaften ein ungeheures Vermögen. 1625 warb er auf eigene Kosten für den Kaiser ein Heer von 40000 Mann und zeigte sein ungewöhnliches militärisches Talent sowohl durch die rasche u. durchgreifende Organisation, sowie durch die Führung des Heeres, indem er den Grafen Mansfeld bei Dessau schlug, Schlesien von dem Feinde säuberte, Brandenburg, Pommern und Mecklenburg besetzte und die Dänen von dem Festlande vertrieb. Schon 1620 wurde er Reichsgraf, 1623 Reichsfürst von Friedland, 1627 Herzog von Mecklenburg u. Sagan. W. schaute bei Soldaten u. Offizieren nicht auf Religion und Stand, verlangte nur pünktlichen Gehorsam u. Bravour u. erlaubte in anderer Beziehung ein sehr freies Leben, daher eine Menge junger Leute seinen Fahnen zuströmte, so daß er zuletzt ein Heer von 100000 Mann commandirte, welches er auf Kosten der von ihm besetzten Länder ernährte und bezahlte (das Contributions- und Requisitionssystem wurde von ihm trotz Napoleon I. durchgeführt). Durch W. gebot der Kaiser von einem Ende Deutschlands bis zum andern, nur der Kurfürst von Bayern, das Haupt der Liga, der sich zugleich auf den franz. Minister Richelieu stützte, behauptete sich selbständig; er war auch der Mittelpunkt der Reichs stände, den protestantischen wie der katholischen, welche auf dem Reichstage von Regensburg den Kaiser mit Klagen über W. bestürmten. W. stand damals (1630) bei Memmingen u. anerbot sich den gesammten Reichstag aufzuheben und die ursprüngliche Macht des Kaisers wiederherzustellen. Ferdinand II. ging aber nicht darauf ein, sondern gewährte den Reichsständen die Absetzung W.s, der sich auf seine Güter nach Böhmen zurückzog. Durch Gustav Adolfs glückliche Operationen gerieth aber nicht nur der Kaiser, sondern auch der Kurfürst von Bayern und alle katholischen Stände in die äußerste Gefahr,[665] gegen die es kein anderes Mittel mehr gab als die abermalige Berufung W.s; er stellte auch wirklich mit unbegreiflicher Schnelligkeit ein Heer auf, übernahm aber den Oberbefehl erst als ihm unbeschränkte Vollmacht eingeräumt war. Hierauf trieb er die Sachsen aus Böhmen, zwang durch seinen Marsch nach Nürnberg den Schwedenkönig sich von der Donau wieder nordwärts zu wenden, schlug Gustav Adolfs Angriff bei Nürnberg ab und brach dadurch den Ruhm von dessen Unüberwindlichkeit. Meisterhaft combinirt war auch W.s Einfall in Sachsen und ausgezeichnet seine Anordnungen vor und während der Schlacht bei Lützen (16. November 1632), welche er nur durch die taktische Ueberlegenheit der schwed. Truppen u. unglückliche Zufälle verlor. Die Niederlage kostete ihn aber blos die Winterquartiere in Sachsen, wegen des Todes des Schwedenkönigs war sie eher als ein Sieg zu betrachten und wenn W. in dem Feldzuge von 1633 keine entscheidenden Vortheile errang, so war dies bei seinen Gegnern noch weniger der Fall. Unterdessen war aber W. mit Schweden und Sachsen in Unterhandlungen getreten und versuchte die beiden Verbündeten zu trennen, um später die Schweden aus dem Reiche zu jagen; daß er diesen äußerst gefährlich erschien, ist durch ihre eigenen Geständnisse erwiesen, andererseits aber konnte der Kaiser unmöglich dulden, daß sein Feldherr insgeheim auf eigene Faust mit dem Feinde unterhandle und über Kaiser u. Reich verfüge; eines solchen Dieners mußte er um jeden Preis los zu werden suchen. W. empfand die kaiserliche Ungnade bald, empfing Befehle, die er weder ausführen konnte noch wollte, u. erbot sich endlich zur Niederlegung des Oberbefehls. Dagegen remonstrirten die deutschen Obersten, welche ihre Regimenter nur für W. geworben hatten u. wohl wußten, daß sie nur durch ihn ihre Soldforderungen erhalten würden u. erließen zu Pilsen eine Erklärung, in der sie bei W. auszuhalten gelobten (12. Januar 1634). Dieser Schritt mußte dem Kaiser als Verrath erscheinen und er gab deßwegen Generalen wie Piccolomini, Gallas etc. den Befehl sich W.s lebend oder todt zu bemächtigen; mit Hilfe der nichtdeutschen Offiziere waren sie im Begriffe W. zu umringen, als dieser die Gefahr merkte und mit wenigen Getreuen sich nach Eger warf, von wo er den Schweden unumwundene und dringende Anträge machte. Diese trauten ihm aber selbst jetzt nicht recht und ließen dadurch den Schotten Gordon und Leslie, sowie dem Obersten Buttler, einem Irländer, Zeit, W. durch den Hauptmann Deveroux in der Nacht des 25. Febr. 1634 zu ermorden. (Ueber W., seine Schuld oder Unschuld vergl. Förster, Gfrörer, Aretin, Helbig, Bülau. Hurter.)

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 665-666.
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