Druck, Druckkraft

[111] Druck, Druckkraft. Wenn zwei Flächen verschiedener Körper gegeneinander liegen, so werden sie im allgemeinen eine Wirkung aufeinander ausüben. Das gleiche gilt auch von Flächen, die in beliebigen, durch einen bestimmten Körper gedachten Schnitten zusammenhängen. Die Kräfte, mit denen die beiden Flächen aufeinander wirken, sind gleichgroß, aber entgegengesetzt gerichtet, sie lassen sich in Komponenten normal und tangential den ergriffenen Flächen oder Flächenelementen zerlegen. Die Normalkräfte suchen die in Berührung befindlichen Flächen auseinander zu ziehen (Fig. 1) oder gegeneinander zu drücken (Fig. 2) und werden deshalb in Zugkräfte und Druckkräfte unterschieden; die Tangentialkräfte suchen jene Flächen längs einander zu verschieben (Fig. 1 und 2) und werden deshalb auch Schubkräfte genannt. Zug, Druck und Schub pro Flächeneinheit der ergriffenen Flächen (oder Flächenelemente) heißen spezifischer Zug, spezifischer Druck, spezifischer Schub oder auch insbesondere, wenn die aufeinander wirkenden Flächen innerhalb desselben Körpers liegen, Zugspannungen, Druckspannungen, Schubspannungen. Vgl. [1], Bd. 1, S. 4, 6, 10, 15; [3], S. 3, 6. In theoretischen Werken werden häufig alle Flächenkräfte als Drücke bezeichnet [2], S. 110; mitunter findet man Zug und Druck pro Flächeneinheit durch die Namen Spannung und Pressung unterschieden.

Die Spannungen für die verschiedenen durch einen Punkt im Innern eines Körpers gehenden Flächenelemente sind im allgemeinen verschieden (s. Spannungen oder [3], S. 38). Wird jedoch vorausgesetzt, daß auch die kleinste Zugspannung und Schubspannung Verschiebungen bewirken könnte, so hat man den Begriff der vollkommenen Flüssigkeit, und es ergibt sich, daß für diese die Spannungen aller durch einen Punkt gedachten Flächenelemente gleichgroße (normale) Drücke sind [3], S. 116, 158; [4], S. 15. Nur bei solchen vollkommenen (tropfbaren oder gasförmigen) Flüssigkeiten kann man also vom spezifischen Drucke p an einer bestimmten Stelle kurzweg, ohne Bezeichnung des ergriffenen Flächenelements, sprechen (vgl. Hydrostatik, Hydrodynamik), während bei festen Körpern und reibenden Flüssigkeiten im allgemeinen auch die Richtung dieses Flächenelements in Betracht kommt [3], S. 117, 119, 159, 161. Bei reibenden Flüssigkeiten pflegt man deshalb unter p den Druck für die Reibung 0 zu verliehen [3], S. 117, 159. Bei gasförmigen Körpern braucht im Falle des Gleichgewichts[111] gewöhnlich auch die Stelle des Drucks p nicht angegeben zu werden, da infolge des geringen Eigengewichts der Druck an allen Stellen eines in Frage kommenden Raumes nahezu der gleiche ist. Man pflegt deshalb unter dieser Voraussetzung ganz allgemein vom Dampfdruck oder Gasdruck in einem Kessel u.s.w. zu sprechen. Dies genügt jedoch nicht mehr, wenn es sich um größere Gebiete der Atmosphäre handelt, wie z.B. das barometrische Höhenmessen gerade auf der Verschiedenheit des Drucks an denjenigen Stellen beruht, deren Höhenunterschied bestimmt werden soll.

Der Druck der Atmosphäre, der erst im 17. Jahrhundert durch Torricelli, Pascal u.s.w. festgestellt wurde, vermag bei 45° geographischer Breite im Niveau des Meeres einer Quecksilbersäule von durchschnittlich 0,760 m Höhe und 0° C. Temperatur das Gleichgewicht zu halten, weshalb ein solcher Druck ein Atmosphärendruck heißt. Da ein Kubikmeter Quecksilber von 0° an der genannten Stelle 13595,93 kg wiegt (s. Dichtigkeit), so entspricht ein Atmosphärendruck einem Drucke pro Quadratmeter von p0 = 1 · 0,760–13595,93 = 10333 kg. Beträgt der Druck in einem Falle n Atmosphären, so ergibt dies einen spezifischen Druck von p = 10333 n kg pro Quadratmeter, und es hält derselbe einer Quecksilbersäule von h = 0,760 n m Höhe das Gleichgewicht. Daher besteht zwischen p in Kilogramm pro Quadratmeter, h in Metern und der Atmosphärenzahl n die Beziehung:


Druck, Druckkraft

mittels welcher man eine dieser Größen aus jeder der andern berechnen kann. In neuerer Zeit wird in der Technik häufig der Druck von 10000 kg pro Quadratmeter als ein Atmosphärendruck bezeichnet, was gerade 1 kg pro Quadratzentimeter ausmacht (sogenannte metrische Atmosphäre), Ein solcher Atmosphärendruck hält einer Quecksilbersäule von 10000/10333 0,760 = 0,735514 m Höhe das Gleichgewicht, so daß im Falle seiner Verwendung an Stelle von 1. tritt:


Druck, Druckkraft

und weiter folgt:

1 Neuatmosphäre = 10000/10333 Normalatmosphären, 1 Normalatmosphäre = 10333/10000 Neuatmosphären.

Man spricht dann auch allgemein von einer Beanspruchung von n Atmosphären, d.h. von einem Zuge, Drucke u.s.w. von n kg pro Quadratzentimeter.

Als Ueberdruck in einem geschlossenen Räume bezeichnet man die Differenz zwischen dem inneren Druck und dem äußeren Druck. Beträgt z.B. der Druck in einem Dampfkessel n Atmosphären, so ist der Ueberdruck ca. n – 1 Atmosphären, er wäre es genau, wenn der auf 0° reduzierte Barometerstand außen gerade 760 mm ausmachte. Der mittlere indizierte Druck pi eines Wärmemotors ist die mittlere Differenz der inneren Drücke auf den Kolben (also auch der Ueberdrücke) beim Ausgang und Eingang des letzteren während eines Arbeitsprozesses und gleich der mittleren Höhe des Indikatordiagramms (s. Aeußere Arbeit, Näheres [1], Bd. 3,609, 633, 688, und [6], S. 54, 108, 265, 293 u.s.w.). Als Erddruck (s.d. und [4], S. 39) bezeichnet man den Druck sogenannter Halbflüssigkeiten (Sand, Erde, Schrot u.s.w.), dadurch charakterisiert, daß feste Teilchen ohne Kohäsion zusammenliegen, also Zugspannungen zwischen denselben nicht auftreten und den Schubspannungen nur die Reibung entgegenwirkt.


Literatur: [1] Grashof, Theoretische Maschinenlehre, Bd. 1: Hydraulik u.s.w., Leipzig 1875; Bd. 3: Kraftmaschinen, Leipzig 1890. – [2] Kirchhoff, Vorlesungen über mathematische Physik, Mechanik, Leipzig 1877. – [3] Weyrauch, Theorie elastischer Körper, Leipzig 1884. – [4] Ders., Aufgaben zur Theorie elastischer Körper, Leipzig 1885. – [5] Zeuner, Technische Thermodynamik, I, Leipzig 1900; II, Leipzig 1901. – [6] Weyrauch, Grundriß der Wärmetheorie, I, Stuttgart 1905.

Weyrauch.

 Fig. 1.
Fig. 1.
 Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 111-112.
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