Riechstoffe [1]

[425] Riechstoffe, künstliche, sind: 1. Produkte, welche aus natürlichen Riechstoffen durch chemische oder mechanische Hilfsmittel abgeschieden werden; 2. Produkte, die man erhält, indem man natürliche Riechstoffe oder Bestandteile derselben durch chemische Prozesse nachbildet – synthetische Riechstoffe –; und 3. durch chemische Prozesse hergestellte Produkte, die in ihrer Zusammensetzung keinem der natürlichen Riechstoffe oder ihrer Komponenten entsprechen.

Zur ersten Klasse gehören das Anethol, der wichtigste Bestandteil des Anisöls, das Carvon, der Bestandteil des Kümmelöls, das Citral, der charakteristische Träger des Zitronengeruchs, der auch im Lemongrasöl bis zu 80% enthalten ist und daraus gewöhnlich gewonnen wird, das Citronellal, der Träger des Geruchs des Zitronellöls, das Eugenol, der Hauptbestandteil des Nelkenöls, das Geraniol, der Hauptbestandteil des Palmarosaöls und des Rosenöls, das Linalool, der Hauptbestandteil des Linaloeöls, das Menthol, der Hauptbestandteil des Pfefferminzöls, das Safrol, der Träger des Geruchs des Sassafrasöls, das auch in beträchtlicher Menge im Kampferöl enthalten ist und hieraus durch fraktionierte Destillation gewonnen wird, das Thymol, der Hauptbestandteil des Thymianöls.

Aus Zweckmäßigkeitsgründen verzichten wir auf eine Scheidung der Produkte aus der zweiten und dritten Klasse und führen die wichtigsten nachstehend ungesondert auf.

Von synthetischen Riechstoffen hat der Anisaldehyd (Aubépine) bereits beim Anisöl (s.d.) Erwähnung gefunden. Der wichtigste ist der Anthranylsäuremethylester, der ein wesentlicher Bestandteil des Orangenblütenöls, des Jasminöls und andrer ätherischer [425] Oele ist. Zu seiner Darstellung haben E. und H. Erdmann verschiedene Verfahren ermittelt [1]. Der Benzoesäuremethylester findet unter dem Namen Niobeöl in der Parfümerie Verwendung. Benzaldehyd ist künstliches Bittermandelöl (s. Bittermandelöl). Bornylacetat (Essigsäurebornylester) ist der Träger des balsamischen Geruchs aller Fichtennadelöle und wird künstlich hergestellt, indem man Borneol, das man durch Reduktion des Laurineenkampfers gewinnt, in wasserfreier Essigsäure löst und bei Gegenwart geringer Mengen von Schwefelsäure erhitzt. Der entstandene Ester wird unter vermindertem Druck destilliert. – Cumarin, der Träger des Geruchs der Tonkabohne, des Waldmeisters und des Ruchgrases, wird entweder aus der Tonkabohne oder künstlich aus Salizylaldehyd gewonnen. – Heliotropin, auch Piperonal genannt, wurde früher durch Oxydation von Piperinsäure, einem Spaltungsprodukt des im Pfeffer enthaltenen Piperins, dargestellt; heute stellt man es aus Safrol dar, das durch Oxydation mit Chromsäure und Schwefelsäure in Piperonal und Piperonylsäure übergeführt wird. Es bildet kleine farblose Kristalle, die angenehm nach Heliotrop riechen. – Isoeugenol hat einen den Blüten der Gartennelke sehr ähnlichen Geruch und findet unter dem Namen Oeillet in der Parfümerie Verwendung. – Jasmin gehört zu den Gerüchen, die sich aus den Blüten nicht durch Destillation mit Wasser gewinnen lassen; man benutzt zu seiner Gewinnung die Enfleurage. Nachdem seine Zusammensetzung ermittelt ist, ist es auch gelungen, es künstlich darzustellen. – Von hervorragender Bedeutung für die Parfümerie ist das Jonon (C13H20O) geworden, das den Arbeiten von Tiemann und Krüger [2] zu verdanken ist. Bei ihren Untersuchungen über das Veilchenaroma fanden sie, daß es einem Keton C13H20O, dem Iron, entspricht. Bei den Versuchen, dieses synthetisch zu gewinnen, gelang es ihnen, ein Isomeres des Irons darzustellen, dem sie den Namen Jonon gaben. Die Darstellung erfolgt in der Weise, daß man zunächst Citral mit Aceton zu Pseudojonon kondensiert und dieses durch Behandeln mit verdünnten Mineralsäuren in Jonon überführt. Es bildet eine farblose Flüssigkeit vom spez. Gew. 0,935, ist in Alkohol löslich und besitzt in starker Verdünnung den Geruch des blühenden Veilchens. – Linalool, ein Bestandteil des Linaloeöls, Bergamottöls, Neroliöls und einiger andrer ätherischer Oele, läßt sich künstlich durch Erhitzen von Geraniol mit Wasser im Autoklaven auf 200° C. herstellen, auch durch Behandlung der Chloride mit alkoholischer Kalilauge, die durch Einwirkung von Salzsäure auf Geraniol entstehen. Durch Kochen mit Acetanhydrid geht das Linalool in Linalylacetat über, das den charakteristischen Geruch des Bergamottöls besitzt und unter dem Namen Bergamiol im Handel erscheint. – Nachdem ermittelt war, daß der Anthranylsäuremethylester ein wesentlicher Bestandteil des Orangenblütenöls ist, ist es auch gelungen, ein künstliches Neroliöl herzustellen. – Das Wintergrünöl besteht hauptsächlich aus Salizylsäuremethylester. Künstlich wird dieses hergestellt durch Erwärmen eines Gemisches von Methylalkohol, Schwefelsäure und Salizylsäure, wobei zuerst Methylschwefelsäure entsteht, die dann in den Methyläther und Schwefelsäure umgewandelt wird. Das Methylsalizylat findet vielfach an Stelle des Wintergrünöls in der Parfümerie Verwendung. – Der Salizylsäuramylester, der in ähnlicher Weise wie der Methylester hergestellt wird, wird unter der Bezeichnung Trefol oder Orchidee in der Parfümerie benutzt. – Durch Einwirkung verdünnter Säuren auf Terpentinöl bei Gegenwart von Alkohol entsteht Terpenhydrat. Durch Behandlung des durch Umkristallisation aus 95 prozentigem Alkohol gereinigten Terpenhydrats erhält man das Terpinol, eine angenehm nach Hyazinthen riechende Flüssigkeit, die wohl der Hauptbestandteil des sogenannten Hyazinths oder künstlichen Hyazinthenöls sein dürfte. Das Terpinol ist kein einheitlicher Körper, sondern besteht aus Terpineol (C10H18O) und drei Terpenen. Das durch fraktionierte Destillation abgeschiedene Terpineol bildet einen farblosen, dickflüssigen Körper mit angenehmem, dem frischen Flieder täuschend ähnlichem Geruch und ist der Hauptbestandteil der unter dem Namen Fliederöl, Syringaöl, Lilacin, Muguet im Handel vorkommenden Produkte. – Der hauptsächlichste Riechstoff der Vanille ist das Vanillin. Dieses wird heute künstlich hergestellt. Tiemann und Haarmann [3] zeigten zuerst, daß man durch Oxydation von Coniferin, einem im Cambialsafte aller Zapfenbäume enthaltenen Glykosid, ein Produkt erhält, welches dem aus der Vanille hergestellten Vanillin vollkommen identisch ist. Heute wird das Vanillin meist aus Eugenol oder Isoeugenol hergestellt. – Künstlicher Moschus wird nach verschiedenen Methoden dargestellt. Alle diese verschiedenen Moschussorten sind in chemischer Beziehung mit dem natürlichen nicht im geringsten verwandt. Am bekanntesten sind der Moschus Baur [4] und das Tonquinol. Der Moschus Baur wird in der Weise hergestellt, daß Toluol oder Xylol in Butyltoluol oder Butylxylol und dieses durch Nitrieren in Trinitrobutyltoluol bezw. Trinitrobutylxylol übergeführt wird. Das Tonquinol wird dargestellt durch Einwirkung von Salpetersäure auf Sulfosäuren des Butylxylols. Der künstliche Moschus findet jetzt vielfach in der Toiletteseifenfabrikation Verwendung; in der feineren Parfümerie kann er den echten Moschus nicht ersetzen. – Nitrobenzol (s.d.) hat bittermandelölartigen Geruch und dient deshalb unter dem Namen Mirbanöl zum Parfümieren billiger Toiletteseifen (»Mandelseifen«) und Hausseifen.


Literatur: [1] D.R.P. Nr. 110386, Nr. 113942, Nr. 120120. – [2] Bericht der Deutschen Chem. Ges. 1893, S. 2675. – [3] Ebend. 1876. – [4] D.R.P. Nr. 47599. – Vgl. a. Klimont, J.M., Die synthetischen und isolierten Aromatika, Leipzig 1899; Gildmeister und Hoffmann, Die ätherischen Oele, Leipzig 1899; Deite, Handbuch der Seifenfabrikation, 2. Aufl., Bd. 2, Berlin 1903; Mann, H., Die moderne Parfümerie, Augsburg 1904.

Deite.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 425-426.
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