Athlētik

[39] Athlētik (v. griech. athlos, »Wettkampf«), die Kunst der Athleten, d. h. Wettkämpfer, eigentlich identisch mit Gymnastik (s. d.), im Sondersinn aber im Gegensatze zu der harmonische Ausbildung von Körper und Geist erstrebenden freien Kunst der Gymnastik die zwecks erwerbsmäßiger Ausübung betriebene körperliche Ausbildung zu einseitiger Virtuosität, vornehmlich im Faust- und Ringkampf (s. Pygme und Pankration). Von den Einsichtigen als banausisch und den Geist abstumpfend und verrohend ebenso getadelt und gering geschätzt, wie die Gymnastik gepriesen, war sie bei der großen Menge der Griechen hoch angesehen; glaubte man doch in ihr die Fortführung altehrwürdiger Tradition und in ihren Jüngern die Nachfolger eines Herakles und Theseus zu sehen. Die oft schon im Knabenalter begonnene Ausbildung erfolgte durch den Gymnasten, der die technische Anleitung gab, und den Aleipten (s. d.), der die auf Gewinnung der für Faust- und Ringkampf erforderlichen Muskelkraft und Körperschwere berechnete, sehr genaue Diät anordnete; beiden Berufsarten wandten sich oft ausgediente Athleten zu. Trotz außerordentlicher Körperkraft waren die Athleten Krankheiten leicht unterworfen; die gewaltige Fleischmasse, die das Mosaik aus den Thermen des Caracalla im Lateranischen Museum veranschaulicht, machte ihnen Hitze unerträglich, und wegen jeglichen Mangels an Fett waren sie nicht minder empfindlich gegen Kälte. Nach geschehener Ausbildung zogen sie zu den Wettkämpfen bei den Spielen der Nation wieder einzelnen Staaten und erwarben sich durch ihre Kunst oft erhebliche Summen. In Rom traten griechische Athleten zuerst 186 v. Chr. auf. In rechte Aufnahme kamen sie aber erst seit Augustus. Meist Griechen und von der Ehrlosigkeit der Gladiatoren und Schauspieler befreit, genossen sie in der Kaiserzeit mancherlei Vorrechte und bildeten förmliche Genossenschaften, und ihre Vorstellungen gehörten fortan bis zum Ausgange des Heidentums zu den üblichsten Volksbelustigungen. Bei der Schwierigkeit, die A. von der Gymnastik zu trennen, lassen sich auch nicht viele Bildwerke aus dem griechisch-römischen Altertum, die Athleten darstellen, mit Sicherheit nachweisen. Eine Ausnahme macht das in den Caracalla-Thermen zu Rom gefundene, jetzt im Lateran daselbst befindliche Mosaik, das unzweifelhaft Athleten mit massigen, stark aufgedunsenen Körperformen darstellt, und die 1885 in Rom gefundene Bronzestatue eines sitzenden Faustkämpfers (im Thermenmuseum). Athletenstatuen scheinen auch zu sein: der Apoxyomenos (s. d.), der Ringer mit dem Ölfläschchen (in Dresden und im Vatikan zu Rom), der Diskoswerfer (s. d.), der Faustkämpfer in Dresden und die Ringergruppe in Florenz (s. Tafel »Bildhauerkunst III«, Fig. 12; Tafel VI, Fig. 2 u. 3). Vgl. Gymnastik.

In neuerer Zeit haben athletische Übungen, besonders die des Gewichtstemmens, Steinstoßens und Ringens, auch abgesehen von der berufsmäßigen A. der Zirkusvorstellungen, als ein Zweig des Sports wieder geregelte Pflege gefunden, werden in größern Städten Europas und Nordamerikas in besondern Klubs betrieben und bilden den Gegenstand von Wettkämpfen. Auch das in England und den Vereinigten Staaten noch beliebte Boxen gehört in den Bereich dieser Übungen, die hauptsächlich den Zulauf ungebildeter Volksmassen finden, und von deren Einseitigkeit und oft auch Roheit sich die Turnkunst ebenso geschieden sehen will wie im Altertum die Gymnastik. Vgl. Silberer, Handbuch der A. (2. Aufl., Wien 1900); Siebert, Katechismus der A. (Weißenfels 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 39.
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