Autoinfektion

[188] Autoinfektion (Selbstansteckung), nach frühern Anschauungen die bei ansteckenden Krankheiten nachweisbare Verschleppung des Infektionsstoffes im Körper von einer Stelle auf die andre, von einem Organ auf ein fernliegendes. Da man gegenwärtig unter Infektion nur die von außen durch Mikroben erfolgende Ansteckung versteht, so kann es keine A. im engern Sinne geben, denn alle Mikroben, die von einer Stelle im Körper auf eine andre, vielleicht sehr entfernte, übertragen werden, stammen von außen. Scheinbare A. findet statt, wenn der mikrobische Infektionsstoff längere Zeit eingekapselt im Körper gelegen hat und plötzlich zur Wirkung gelangt, sobald durch eine stürmischere Bewegung die Kapsel reißt und das frei gewordene Gift resorbiert wird. Unser Körper beherbergt auf der Haut, in Mund-, Nasen-, Rachenhöhle, Luftröhre, Speiseröhre, Darm, in der Scheide etc. ungeheure Mengen von Mikroben, die unter gewöhnlichen Verhältnissen wirkungslos bleiben, sobald aber die schützende Epithelialdecke irgendwo durchbrochen wird, sofurt zur Wirkung gelangen, Eiterung erregen etc. Diese Verhältnisse sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Der Streptococcus pyogenes erregt, wenn er bald nach der Entbindung in Wunden der Geburtsorgane gelangt, Puerperalfieber. Derselbe Streptococcus findet sich aber im Scheidenschleim gesunder Personen, und trotz häufiger Verletzungen der Scheide, der Gebärmutter, des Dammes, wobei die Einwanderung des Streptococcus gar nicht zu vermeiden ist, treten schwere Puerperalfieber doch verhältnismäßig selten auf. Die Übertragung eines in: Körper bereits vorhandenen Infektionsstoffes von einer Stelle zur andern nennt man besser Autoinokulation. Solche Selbstimpfungen beobachtet man bei Syphilis, bei Krebs (besonders Magenkrebs), bei der Augenentzündung Neugeborner etc.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 188.
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