Avérrhoës

[199] Avérrhoës (Averroës, eigentlich Ibn Roschd), berühmter Philosoph der Araber, vorzugsweise der Kommentator (des Aristoteles) genannt, geb. 1126 in Cordoba, gest. 12. Dez. 1198 in Marokko, war Richter, zuerst in Sevilla, dann in Cordoba. Von seinem Freund Ibn Tophail dem Kalifen Abu Jakub Jußuf zu dem Zweck, eine Analyse der Aristotelischen Werke zu liefern, empfohlen, gewann er dessen Gunst und wurde sein Leibarzt (1183), stand auch unter Jußufs Nachfolger Almansur Jakub in hohen Ehren, bis er (nach 1195) der Abweichung von den Lehren des Korans angeklagt, keiner Würden entsetzt und nach Lucena bei Cordoba verwiesen ward. Doch wurde er von Almansurs Nachfolger wieder an den Hof zu Marokko berufen. Er war ein eifriger Verehrer des Aristoteles, den nach seiner Meinung Gott unter allen Menschen allein den höchsten Gipfel der Vollkommenheit hat erreichen lassen. Er ist uns von der göttlichen Vorsehung gegeben, damit wir wüßten, was wir überhaupt wissen können. In der Materie liegen nach A. keimartig die Formen, die durch Einwirkung höherer Formen und zu oberst der Gottheit entwickelt werden. Für die Existenz Gottes gibt es Beweise, namentlich besteht der physikotheologische zu Recht. Dem Pantheismus näherte sich A. insofern, als er nur eine gemeinsame aktive Vernunft annahm, die sich, ganz getrennt von den individuellen Seelen, in den einzelnen Menschen während ihres Lebens verteile, aber nach dem Tode der einzelnen diese Emanationen wieder in sich ausgehen lasse, so daß von einer persönlichen Unsterblichkeit nicht die Rede sein kann. Bei ihm tritt die Lehre von der doppelten Wahrheit schon auf, der theologischen und der philosophischen. Den Koran erklärte und modifizierte er nach Aristoteles' Lehren, wodurch er der Schöpfer einer mohammedanischen Religionsphilosophie, zugleich aber auch Ahnherr vieler Ketzereien ward. Bei den christlichen Scholastikern stand er in hohem Ansehen; Streit erregte in der christlichen Kirche die erwähnte (von den Averrhoisten weiter ausgebildete) Lehre von der Einheit der allgemeinen Vernunft. Auch in der Medizin ist A. als tief eindringender Theoretiker und Verteidiger des Aristoteles gegen Galenus berühmt. Unter seinen Schriften, die wir größtenteils nur in lateinischer Übersetzung kennen, stehen seine (oft dreifachen) Kommentare zu den Schriften des Aristoteles obenan. Außerdem verfaßte er noch andre philosophische Abhandlungen, so eine Widerlegung der Ghassalischen Widerlegung der Philosophie, auch eine medizinische Therapeutik. Seine Werke erschienen zuerst 1472 in lateinischer Übersetzung, dann sehr häufig, meist zusammen mit den Aristotelischen Werken; beste Ausgabe Venedig 1552 in 11 Foliobänden. Vgl. Renan, A. et l'Averroïsme (3. Aufl., Par. 1869).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 199.
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