Biblia pauperum

[818] Biblia pauperum (lat.), »die Bibel der Armen«, d. h. der geistig Armen, der Unwissenden und Ungelehrten (»für die ungelernte leut«, wie es in einem[818] frühen, die zehn Gebote enthaltenden Blockbuch heißt), eine Sammlung von Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament, die mit kurzen lateinischen oder deutschen oder auch zweisprachigen Erläuterungen versehen und so angeordnet waren, daß stets eine Darstellung aus dem Neuen Testament von zwei vorbildlichen Darstellungen aus dem Alten und vier Brustbildern von Erzvätern und Propheten umgeben war. Die ältesten dieser zyklischen Darstellungen sind Manuskripte mit Miniaturen, die bis in das 13. Jahrh. zurückreichen (ein Exemplar in der Hofbibliothek zu Wien). Ein geschriebenes Exemplar in Wolfenbüttel trägt den Titel B. p., nach dem die ganze Gattung den Namen erhalten hat. Anfangs nur 34 Darstellungen umfassend, wuchs die Armenbibel allmählich bis zu 50. Seit der Erfindung des Holzschnittes wurden Bilder und Text auf einzelne Holzplatten geschnitten und von diesen zahlreiche Abdrücke gemacht, die mit den freien Rückseiten zusammengeklebt und zu einem Buch vereinigt wurden (s. Blockbücher). So gewannen die Armenbibeln eine große Verbreitung, die durch die Erfindung der Kunst, mit beweglichen Typen zu drucken, noch gefördert wurde. In dem Grade, als sich die Buchdruckerkunst vervollkommte und vollständige Bibeln gedruckt werden konnten, traten die Armenbibeln in den Hintergrund, bis sie im Anfang des 16. Jahrh. ganz verschwanden. Nachbildungen handschriftlicher Armenbibeln gaben heraus: Berjeau (Lond. 1859), Camesina und Heider (Wien 1863), Einsle (das. 1890), Laib u. Schwarz (2. Aufl., Würzb. 1892). – B. p. ist auch der Titel einer Schrift des Scholastikers Bonaventura (s. d.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 818-819.
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