Bojardo

[172] Bojardo, Matteo Maria, Graf von Scandiano, berühmter ital. Dichter, geb. 1434 in Scandiano als Sprößling eines altenvornehmen Geschlechts, gest. 19. Dez. 1494 in Reggio, weilte bereits als zwölfjähriger Knabe mit seinen Eltern in Ferrara und lernte den Hof kennen. Er lag auf seinen Besitzungen literarischen Studien ob, bis er 1469 in den Dienst des Hauses Este trat; von 1487 an war er Statthalter von Reggio. B. zeichnete sich nicht nur als Beamter und Kriegsmann aus, sondern war auch einer der gebildetsten und gelehrtesten Männer seiner Zeit und nimmt als Dichter einen hervorragenden Platz in der italienischen Literatur ein. Sein Hauptwerk ist das romantische Epos »Orlando innamorato«, das die Liebe Rolands zu der schönen Angelika und die hieraus entspringenden Abenteuer zum Inhalt hat. Von den drei Büchern, auf die das Gedicht berechnet war, sind jedoch nur die beiden ersten vollendet; das dritte ist nur bis zum 9. Gesang fortgeführt, an der Fortsetzung seiner Arbeit wurde der Dichter durch den Tod verhindert. Das Hauptverdienst Bojardos besteht in der Erfindung. Er wählt seine Helden aus dem Karlssagenkreise, macht sie aber zu höfischen und verliebten Artusrittern, wie sie der vornehmen Welt gefielen. So hat B. mit dem »Orlando innamorato« das romantische Rittergedicht geschaffen. Die ersten beiden Gesänge erschienen Venedig 1487, das Ganze Scandiano 1495 u. ö. Mangelhaft ist die Form des Gedichts. Der Ausdruck ist oft unelegant, der Versbau nicht selten schwerfällig und die Sprache dialektisch. Bald entstanden daher Überbearbeitungen des Gedichts, über deren beste, von Berni (1541 gedruckt) und Domenichi (Venedig 1545), man das Original bis in die Neuzeit vergaß. Neue Ausgaben von Panizzi (Lond. 1830) und Stiavelli (Rom 1894) u. a. Eine geschmacklose Fortsetzung des Gedichts schrieb Niccolò degli Agostini (Buch 4–6, Vened. 1506, 1514, 1524), die indessen von Ariostos (s.d.) »Orlando furioso« völlig in den Schatten gestellt wurde. Bojardos »Orlando« wurde schon im 16. Jahrh. und seitdem öfter ins Französische und in neuerer Zeit in die meisten andern europäischen Sprachen übersetzt (ins Deutsche von Gries, Stuttg. 1835–39, 3 Bde., und von G. Regis, Berl. 1840). Man hat außerdem von B. noch schöne italienische Gedichte: »Amorum libri tres« (Reggio 1499 u. ö.), das Lustspiel »Timone« (Scand. 1500 u. ö.), fünf »Capitoli« und zehn Eklogen. Eine kritische Ausgabe aller kleinern Gedichte gab Solerti heraus (Bologna 1894). B. übersetzte auch aus dem Lateinischen und Griechischen. Vgl. den Sammelband »Studi su Matteo Maria B.« (Bologna 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 172.
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