Cancrin

[735] Cancrin, Georg (Jegor Franzowitsch), Graf, russ. Staatsmann, geb. 8. Dez. 1774 in Hanau als Sohn des durch seine »Grundzüge der Berg- und Salzwerkskunde« (1773–91, 13 Bde.) bekannten, 1784 nach Staraja Russa (Gouv. Nowgorod) berufenen Salinendirektors Franz Ludwig C. (geb. 1738, gest. 1816), gest. 21. Sept. 1845 in Pawlowsk bei Petersburg, studierte 1790–94 in Gießen und Marburg die Rechte, trat als Regierungsrat in anhaltbernburgische Dienste und schrieb den phantastischen Roman: »Dagobert, Geschichte aus dem jetzigen Freiheitskrieg« (Altona 1796). 1796 ging er nach Rußland und wurde 1812 infolge eines Werkes über die Verpflegung der Armeen zum Generalintendanten der Westarmee, 1813 zum Generalintendanten sämtlicher aktiver Armeen ernannt. Trotz vielfacher Anfeindung der altrussischen Partei machte ihn Alexander I. 1823 zum Finanzminister. In 21 Jahren brachte er zwar Ordnung in das zerrüttete Finanzwesen, hinderte aber zugleich durch Übertreibung des Prohibitivsystems die wirtschaftliche Entwickelung Rußlands. Zudem betrachtete er die Staatsindustrie als das beste Mittel, dem Staate Geld zu gewinnen, und gebrauchte die Machtmittel des Staates, um die Konkurrenz der Privatindustrie und des Privatkredits niederzuhalten, während anderseits die von ihm begünstigten Unternehmungen, namentlich Kanal- und Wegebauten, Versicherungsgesellschaften, auch wissenschaftliche Expeditionen, nachhaltig unterstützt wurden. Er verfaßte mehrere Bücher über staatswissenschaftliche Fragen. Seine »Reisetagebücher 1840–1845« wurden vom Grafen Keyserling (1865, 2 Bde.) herausgegeben. Vgl. »Im Ural und Altai. Briefwechsel zwischen Alex. v. Humboldt und Graf G. von C.« (Leipz. 1869); über seine Finanzverwaltung: A. Schmidt, in der »Russischen Revue«, Bd. 7, 1875.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 735.
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