Cyān

[385] Cyān (Dicyan, Oxalsäurenitril, Äthandinitril) CN.CN oder Cy, eine Verbindung von Kohlenstoff mit Stickstoff, in der Stickstoff mit drei Affinitäten an den vierwertigen Kohlenstoff gebunden ist, findet sich nicht in der Natur und entsieht beim Zusammentreffen seiner Elemente nur, wenn ein Körper zugegen ist, der eine feste Cyanverbindung zu bilden vermag. Bei Einwirkung von Kohlensäure und Ammoniak auf erhitztes Kalium entsteht Cyankalium, ebenso bei Einwirkung von Ammoniak auf eine glühende Mischung von kohlensaurem Kali und Kohle, und wenn man stickstoffhaltige Körper, wie Fleischfaser, Leder, Horn, oder die Kohle aus derartigen Substanzen, die immer noch Stickstoff enthalten, mit kohlensaurem Kali erhitzt. Ammoniak bildet mit glühender Holzkohle C., das sich mit unzersetztem Ammoniak zu Cyanammonium verbindet. Strömt Luft über glühende Kohlen, so entsteht ein Gemisch von Kohlenoxyd und Stickstoff, und wenn dies über kohlehaltiges kohlensaures Kali oder Baryt geleitet wird, so bildet sich Cyankalium, resp. Cyanbaryum. So entsteht viel C. in Hochöfen und in Koksöfen. C. entsteht auch beim Überspringen von Induktionsfunken zwischen Kohlenspitzen in Stickstoff, beim Erhitzen von Kupfersulfatlösung mit Cyankalium. Oxalsaures Ammoniak zerfällt beim Erhitzen in C. und Wasser. Aus dem im Pflanzenreich natürlich vorkommenden Amygdalin entsteht Cyanwasserstoff durch einen Spaltungsprozeß (s. Blausäure). Reines C. erhält man beim Erhitzen von trocknem Cyanquecksilber oder Cyansilber oder von Cyangold mit Quecksilberchlorid. Das frei werdende C. verhält sich wie das Chloratom, von dem sich zwei zu einem Molekül Chlor verbinden. Freies C. ist daher Dicyan (CN)2. Dies ist ein farbloses, giftiges Gas vom spez. Gew. 1,8, das unter dem Druck von 5 Atmosphären oder beim Abkühlen auf -25° zu einer farblosen Flüssigkeit von 0,866 spez. Gew. verdichtet wird, die bei -34° zu einer kristallinischen Masse erstarrt und bei -21° siedet. Es riecht eigentümlich heftig, reizt Augen und Nase sehr stark und verbrennt mit eigentümlicher bläulicher, purpurrot gesäumter Flamme zu Kohlensäure und Stickstoff. Wasser löst sein 41/2-, Alkohol sein 251aches Volumen C.; die Lösungen riechen wie C., schmecken stechend und zersetzen sich, wenn nicht eine geringe Menge einer Mineralsäure zugegen ist, unter Abscheidung einer braunen Substanz (Azulmsäure) in oxalsaures Ammonik, ameisensaures Ammoniak, Cyanwasserstoff und Harnstoff. Mit Kalilauge bildet es Cyankalium und isocyansaures Kali. Bei Gegenwart einer geringen Menge Aldehyd entsteht in wässeriger Cyanlösung Oxamid, bei Gegenwart von Mineralsäure entsteht Oxalsäure und Ammoniak, beim Erhitzen mit Jodwasserstoff entsteht Glykokoll. C. erträgt hohe Temperaturen, durch glühendes Eisen wird es aber in Kohlenstoff und Stickstoff zerlegt. Es verhält sich wie ein einwertiges Element und geht mit Metallen Verbindungen ein, die vielfach den Chlormetallen gleichen, und bildet mit Wasserstoff eine Säure (Cyanwasserstoffsäure oder Blausäure). Die Cyanverbindungen organischer Radikale, wie Äthylcyanid, sind die Nitrile (s.d.). Cyanverbindungen sind schon lange bekannt. Scheele entdeckte 1782 die Cyanwasserstoffsäure und Gay Lussac 1815 das C., das seinen Namen (v. griech. kyánĕos, dunkelblau) der blauen Verbindung verdankt, die es mit Eisen bildet (Berlinerblau). Beim Erhitzen von Quecksilbercyanid hinterbleibt eine amorphe dunkle Substanz, Paracyan (C2N2)n das bei starkem Erhitzen sich in Cyan verwandelt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 385.
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