Diëlektrische Polarisation

[888] Diëlektrische Polarisation, der Zustand, in den ein Nichtleiter (Dielektrikum) bei Annäherung eines elektrisierten Körpers versetzt wird, indem der letztere in ihm Erscheinungen der elektrischen Verteilung oder Influenz hervorruft. Cavendish fand, daß die Kapazität eines Kondensators von gegebener Form wesentlich abhängig ist von der Natur des Dielektrikums zwischen den beiden Belegungen (s. Dielektrizitätskonstante). Auch ein einfacher Konduktor vermag bei gleicher Spannung mehr Elektrizität aufzunehmen, wenn erz. B. statt von Luft von Öl umgeben ist. Zur Erklärung dieser Erscheinung nahm Faraday an, daß ein diëlektrischer Körper aus einer nichtleitenden Grundmasse bestehe, in die leitende Körperteilchen eingebettet sind, die durch Influenz elektrisch werden können, ohne daß die Elektrizität zwischen den Teilchen übergehen kann. Denkt man sich dem einen Ende einer Reihe solcher Körperteilchen einen z. B. positiv elektrischen Körper genähert, so wird jedes Teilchen an seinem nähern Ende negativ, an dem entferntern positiv elektrisch, und da die entgegengesetzten Elektrizitäten an den einander zugewandten Enden zweier Nachbarteilchen ihre Wirkungen nach außen hin aufheben, so bleiben als wirksam nur noch übrig die entgegengesetzt elektrischen Ladungen an den Enden der Reihe. Ein aus solchen Teilchen bestehender Körper erlangt also im elektrischen Felde zwei entgegengesetzte Pole, und man nennt den Zustand, in dem er sich befindet, d. P. Die elektrische Influenz auf einen Nichtleiter wäre hiernach analog dem Einfluß eines Magneten auf ein Stück weiches Eisen. Auf Grundlage dieser Anschauung hat Clausius die Theorie der diëlektrischen Körper entwickelt. Maxwell dagegen erklärt die Eigenschaften der Dielektrika durch die Annahme einer elektrischen Elastizität selbst des leeren Raumes (des freien Äthers) und stellt sich vor, daß, wenn ein Dielektrikum der Influenz ausgesetzt wird, eine Art innere elastische Deformation entsteht, die man sich z. B. durch Verschiebung der entgegengesetzten Elektrizitäten in den einzelnen Volumelementen, die im Dielektrikum haften und dasselbe bei ihrer Verschiebung in entgegengesetzter Richtung zerren, hervorgebracht denken kann. Diese dielektrische Verschiebung erzeugt ebenso ein magnetisches Feld wie ein gewöhnlicher Leitungsstrom. Vgl. Maxwell, Lehrbuch der Elektrizität und des Magnetismus (Berl. 1883, 2 Bde.); Boltzmann, Vorlesungen über Maxwells Theorie (Leipz. 1893); Drude, Physik des Äthers (Stuttg. 1894); Föppl, Einführung in die Maxwellsche Theorie (Leipz. 1894); O. Lehmann, Elektrizität und Licht (Braunschw. 1895); Ebert, Magnetische Kraftfelder (Leipz. 1896); Cohn, Das elektromagnetische Feld (das. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 888.
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