Eishöhlen

[570] Eishöhlen, Höhlen, in denen herabtropfendes Wasser eine Eiskruste liefert, das hervorsickernde sofort zu Eiströpfchen oder stalaktitischen Gestalten erstarrt. An den Orten der Eisbildung selbst herrscht[570] kein Luftzug, die Temperatur der Luft ist im allgemeinen wenig über Null, und nur in einzelnen Spalten ist sie unter Null. Die Luft ist mit Wasserdampf gesättigt, der sich an den festen, mit Eis überzogenen Körpern in den verschiedensten Formen ansetzt. Die meisten E. liegen in Kalksteingebirgen, kommen aber auch vereinzelt in Basalten und im Gneis vor. Die Eishöhle von Besançon, die von St.-George (547 m über dem Genfer See), das Schafloch am Rothorn im Kanton Bern, die drei ungarischen E. von Demanova (bei Liptó-Szent-Miklos), von Dobschau und von Sziliez (südlich von Dobschau) sowie die Eishöhle in der Frauenmauer bei Eisenerz in Steiermark und die von Skeresora in Siebenbürgen liegen alle in Kalksteingebirgen. Meist finden sich E. in nicht unbedeutender Höhe über dem Meeresspiegel, ihre Öffnungen liegen vielfach gegen N. oder O., alle sind nach abwärts gerichtete, unten geschlossene, sogen. Sackhöhlen. Um die Bildung der E. zu erklären, stützt sich Schwalbe (»E. und Eislöcher«, Berl. 1886) auf Versuche, nach denen Wasser unter 4° beim Durchsickern durch poröses Gestein infolge einer Verdichtung an der Oberfläche des festen Körpers eine Abkühlung erfahre, die sich bis zur Überkältung steigere. Das Sickerwasser habe bei vielen E. im Winter und im Frühling eine Temperatur unter 4°, trete also nach der Abkühlung überkältet, mit einer Temperatur von unter 0° heraus und komme leicht zum Gefrieren. Viel besser dürfte aber die von Deluc-Thury aufgestellte Theorie der Wirklichkeit entsprechen. Nach dieser, und zumal auf Grund der Beobachtungen, die Fugger an den drei E. des Untersberges bei Salzburg und Crammer in dem in einzelnen Jahren eisfreiem Tablerloch bei Miesenbach unfern Wiener-Neustadt angestellt haben, sieht man die Hauptursache der Eisbildung darin, daß sich in den E. während der kältern Jahreszeit mehr Eis bildet, als in der wärmern schmelzen kann, mithin in der geringen Erhebung der mittlern Jahreswärme über den Nullpunkt. In die nach abwärts gerichteten Höhlen kann nämlich nur kalte Luft, die spezifisch schwerer ist als die warme, eindringen. Diese verdrängt im Winter die wärmere Höhenluft, kühlt die Höhlenwände mehr und mehr ab und bringt das Tropfwasser zum Gefrieren; im Sommer erhöht sich die Temperatur in der Höhle wieder nach und nach, aber nur sehr langsam, und lediglich infolge des Vordringens der Bodenwärme und der Wärme des Tropfwassers. Experimentell wird sich die Richtigkeit dieser Theorie nachweisen lassen, sobald es gelingt, an Orten, deren Wintertemperatur längere Zeit unter Null liegt, künstliche E. herzustellen. Vgl. Fugger, E. und Windröhren (Salzb. 1891–93, 3 Tle.) und in den »Mitteil. der Geograph. Ges. in Wien« 1894; Crammer, E.- und Windröhren-Studien (Wien 1899); Balch, Glacières, or freezing caverns (Philad. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 570-571.
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