Erpressung

[73] Erpressung (Konkussion, Concussio, franz. Chantage), das Vergehen, dessen sich derjenige schuldig macht, der, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, einen andern durch Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt (Deutsches Reichsstrafgesetzbuch, § 253). Die dermaligen Grundsätze über dies Verbrechen haben sich aus der römisch-rechtlichen Theorie des Verbrechens der Concussio entwickelt, das darin bestand, daß jemand einen andern vorsätzlich unter dem betrügerischen Vorwand oder durch wissentlichen Mißbrauch einer ihm zustehenden Gewalt zu dem Zugeständnis eines rechtswidrigen Vermögensvorteils für sich oder einen andern nötigte. Vollendet ist das Vergehen der E., deren Versuch nach dem deutschen Strafgesetzbuch ebenfalls[73] strafbar ist, sobald die Abnötigung des Tuns, Duldens oder Unterlassens vollzogen worden ist, mag nun der beabsichtigte vermögensrechtliche Vorteil vereitelt oder wirklich erlangt worden sein. Nach dem Reichsstrafgesetzbuch ist zwischen einfacher E., die mit Gefängnis von 1 Monat bis zu 5 Jahren, und schwerer E., die mit Zuchthaus von 1–5 Jahren bestraft wird, zu unterscheiden. Letztere (§ 254) liegt dann vor, wenn die E. durch Bedrohung mit Mord, Brandstiftung oder mit Verursachung einer Überschwemmung begangen wird. Wurde die E. durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so tritt (§ 255) die Strafe des Raubes ein, d. h. Zuchthaus von 1–15 Jahren. Bei der von einem Beamten durch Mißbrauch der Amtsgewalt oder Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben begangenen E. tritt die gesetzliche Bestrafung ein, wenn auch das Vergehen ohne Gewalt oder Drohung verübt wurde (Reichsstrafgesetzbuch, § 339). Besonders gefährlich ist die sogen. Revolverpresse, die durch Drohung mit der Veröffentlichung von Zeitungsartikeln rechtswidrige Vermögensvorteile zu erlangen sucht. Eine harmlosere Abart, die nichts mehr (an sich wenigstens) mit dem Strafrecht zu tun hat, ist der sogen. Lobrevolver. Einzelne Zeitungsnummern, fast ganz oder ganz aus Lobartikeln bestehend, werden den Belobten mit der Bitte um Einsendung des Abonnementsbetrags zugeschickt. Den Revolverjournalisten stehen würdig zur Seite die Vertreter der männlichen Prostitution, die »petits Jésus«, die ihre harmlosern Mitschuldigen durch die Drohung der Anzeige ausbeuten. Vgl. Fränkel, Die Delikte der Nötigung, Bedrohung und E. (Berl. 1901).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 73-74.
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