Flußpferd

[735] Flußpferd (Hippopotamus L.), Gattung der Huftiere aus der Familie der Plumptiere (Obesa). Das Nilpferd (Flußschwein, H. amphibius L., s. Tafel »Äthiopische Fauna«, Fig. 7), ein plumpes, unförmliches Tier, 4 m lang, 1,5 m hoch, bis 2500 kg schwer, mit 45 cm langem Schwanz, fast viereckigem [735] Kopf, langer, hoher, vorn sehr breiter, aufgeschwollener Schnauze, kleinen Ohren und Augen, kurzem, kräftigem Hals, langgestrecktem, schwerfälligem, dickem Körper, in der Mitte herabhängendem Bauch, sehr kurzen Beinen, vier Hufen an jedem Fuß und kurzem, dünnem Schwanz. Die gebogenen Eckzähne des Unterkiefers werden bei alten Männchen 4–6 kg schwer, bis 80 cm lang, ragen aber nicht aus der Schnauze hervor. Die über 2 cm dicke Haut ist vielfach durchfurcht, sehr spärlich mit kurzen Borsten bewachsen, eigentümlich kupferbraun, an der Oberseite dunkler, an der Unterseite heller, bräunlich und bläulich gefleckt. Die Haargefäße der Haut schwitzen bei Erregung des Tieres eine dünnflüssige, blutartige Absonderung aus. Die Stimme ist ein tiefes, weithin hallendes Brüllen, bei ruhigem Lagern ein Grunzen. Das F. findet sich in allen größern Strömen und Seen des innern Afrika, zwischen dem 17.° nördl. Br. und dem 25.° südl. Br., im Nil ist es weit zurückgedrängt, während es in Ost- und Westafrika viel weiter nach der Küste herabgeht als im Norden, sogar ins Meer hinaus und nach Sansibar schwimmt. In Flüssen mit wechselndem Wasserstand unternimmt es förmliche Wanderungen. Es verläßt das Wasser nur ausnahmsweise, um sich auf den Sandbänken zu sonnen, und des Nachts, wenn der Strom selbst nicht reich an Pflanzen ist, um im Wald oder auf Feldern zu weiden. Es lebt gesellig, ist am Tag träge, in der Nacht munter und greift auf seinen Weidegängen alle sich bewegenden Gestalten, auch Rinder und Menschen, an. Dadurch wird es sehr gefährlich und durch das Zerstampfen und Vertilgen großer Pflanzenmassen zu einer wahren Landplage. Im ersten Drittel der Regenzeit wirft das Weibchen nach 7–8monatiger Trächtigkeit ein Junges und greift zu dessen Verteidigung selbst am Tage Schiffe und Menschen an. Man fängt das F. in Fallöchern oder schießt es mit schweren Büchsenkugeln aus möglichst geringer Entfernung. Fleisch und Fett sind sehr geschätzt, besonders von jungen Tieren; die geräucherte Zunge gilt als Leckerbissen. Die Haut wird zu Schilden und Peitschen, die Zahnsubstanz wie Elfenbein benutzt. Das F. war den Alten wohlbekannt und wird in den ägyptischen Schriften Flußschwein (Rer) genannt; es muß damals sehr häufig gewesen sein und wurde viel gejagt, aber schon im 4. Jahrh. n. Chr. kam es in Ägypten nicht mehr vor. Allgemein wird der Behemoth im Buch Hiob auf das F. bezogen, und im spätern Judentum knüpften sich an diesen ähnliche phantastische Fabeleien wie an den Leviathan. In Rom führte zuerst Marcus Scaurus 58 v. Chr., dann Augustus uno andre Kaiser ausgewachsene Tiere in Kampfspielen und Triumphzügen vor. Seitdem gelangte bis zur Mitte des 16. Jahrh. und dann wieder bis in die neueste Zeit keins dieser Tiere nach Europa. 1859 kamen die beiden ersten Flußpferde nach Deutschland, und in Amsterdam haben sich Flußpferde zuerst fortgepflanzt. Alle diese Tiere wurden jung eingefangen, nachdem die Mutter erlegt war. Man zieht sie mit Kuhmilch auf. Den Afrikanern gilt das F. gar nicht als ein von Allah erschaffenes Wesen, sondern als ein Kind der Hölle. In Oberguinea lebt das noch wenig bekan nie, viel kleinere liberische F. (H. liberiensis Leidy). H. major Cuv. aus dem Diluvium des mittlern und südlichen Europa war nur wenig von dem jetzt lebenden verschieden. In den Tertiärbildungen Ostindiens kommen mehrere Arten vor.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 735-736.
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