Gothaer

[156] Gothaer hießen die Abgeordneten der erbkaiserlichen Partei der deutschen Nationalversammlung, die nach dem Scheitern der in Frankfurt beschlossenen Reichsverfassung 26.–28. Juni 1849 in Gotha zusammenkamen und sich mit 130 von 148 Stimmen dahin vereinigten, das preußische Unionsprojekt vom Mai 1849 und die Wahlen zum Erfurter Parlament zu unterstützen; Gagern, Dahlmann, Beckerath, Beseler, J. Grimm, Mathy, R. Mohl, Simson, L. Häuser waren die hervorragendsten Vertreter dieser durch die geistige Bedeutung ihrer Mitglieder ausgezeichneten Partei. Auf dem Erfurter Parlament setzten sie 17. April die Annahme der vorgelegten unionistischen Verfassung durch, aber mit der Vertagung des Parlaments und dem Scheitern der Unionspolitik verlor die Bezeichnung G. ihren ursprünglichen Sinn, da sie keine parlamentarische Partei mehr bedeutete. Man bezeichnete seitdem diejenigen Mitglieder der verschiedenen deutschen Landtage so, die eine bundesstaatliche Verfassung mit einem Parlament und dem Präsidium Preußens unter Ausschluß Österreichs, also das sogen. Kleindeutschland, erstrebten. In der Reaktionszeit der 1850er Jahre sehr zurückgedrängt, spielte die Partei unter Georg v. Vinckes Leitung seit 1858 im preußischen Landtag unter der neuen Ära noch einmal eine Rolle, bis sie in Preußen durch die Fortschrittspartei, in Deutschland durch den Nationalverein abgelöst[156] wurde. Die jetzige nationalliberale Partei kann eine Wiederbelebung der G. genannt werden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 156-157.
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