Interpolation

[891] Interpolation (lat., »Einschaltung«), in der Mathematik bezeichnet I. ein Verfahren, durch das man zwischen zwei Gliedern einer nach einem bestimmten Gesetz fortschreitenden Reihe von Größen neue Größen derart einschaltet, daß sie sich an dieses Gesetz entweder völlig oder doch möglichst nahe anschließen. Die I. spielt namentlich in der Astronomie eine große Rolle, denn man ist da oft in derLage, aus den zu bestimmten Zeiten beobachteten Örtern eines Himmelskörpers dessen Ort für eine dazwischenliegende Zeit berechnen zu müssen. Einfache Interpolationen hat man aber auch fortwährend bei Benutzung der Logarithmentafeln auszuführen. Eine Darstellung der verschiedenen Methoden zur I. findet man bei Markoff, Differenzenrechnung (deutsch von Friesendorff u. Prümm, Leipz. 1896), und bei Seliwanoff, Differenzenrechnung (das. 1904). – Interpolationen als Kunstausdruck der Wissenschaft des römischen Rechts soviel wie Emblemata Triboniani (s. d.). – In der Handschriftenkunde und philologischen Kritik die Verfälschung des ursprünglichen Textes einer Schrift durch Einschaltung einzelner Wörter, Sätze oder ganzer Abschnitte. Dergleichen Stellen und Schriften heißen daher interpolierte, die Handlung selbst I. und deren Urheber Interpolator. Solche Interpolationen reichen in griechischen und römischen Schriftdenkmälern in sehr alte Zeit zurück; schon Solon schob einen Vers in Homers »Ilias« ein. Später waren es besonders jüdische und christliche Gelehrte, die sich dergleichen Fälschungen erlaubten, um dadurch ihren eignen Lehrmeinungen den Schein höhern Alters und dadurch größeres Ansehen zu verschaffen. Namentlich haben oft auch Grammatiker seltene und ungewöhnliche Ausdrücke in ältern Schriftstellern durch bekannte zu ersetzen gesucht. Sache der Kritik ist es, solche von fremder Hand gemachten Zusätze ausfindig zu machen und auszuscheiden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 891.
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