Lónyay

[707] Lónyay (spr. lōnjaí), 1) Melchior (Menyhért) L., Graf von Nagy-Lónya, ungar. Staatsmann, geb. 6. Jan. 1822 in Nagy-Lónya, aus einer prot. Adelsfamilie, gest. 3. Nov. 1884 in Budapest, studierte in Pest die Rechte, war seit 1843 Mitglied des Landtags, wo er zu den liberalen Parteifreunden Széchenyis gehörte, aber Kossuths Schutzzollsystem bekämpfte, und bekleidete 1848 im zweiten ungarischen Ministerium die Stelle eines Unterstaatssekretärs im Finanzministerium unter Kossuth. Nach Niederwerfung des Aufstandes 1849 ward er flüchtig, kehrte aber infolge einer Spezialamnestie 1850 nach Ungarn zurück. Hier förderte er die Theißregulierung, organisierte die landwirtschaftlichen Provinzialvereine und war bei Gründung mehrerer Kreditinstitute Ungarns beteiligt; auch für die durch das Patent von 1859 gefährdete Autonomie der protestantischen Kirche trat er energisch in die Schranken. In dem konstitutionellen Ministerium Andrássy vom 17. Febr. 1867 ward er zum Finanzminister, im Mai 1870 zum Reichsfinanzminister, 16. Nov. 1871 zum ungarischen Ministerpräsidenten ernannt, nachdem er im August d. J. in den Grafenstand erhoben worden war. Trotz seiner Gewandtheit als Politiker behauptete er sich aber nicht lange in seiner Stellung, da ihn die Partei Tiszas, namentlich der Deputierte Csernatóny, wegen seines Vorgehens bei Staatsanleihen heftig angriff und verdächtigte. Nachdem 18. Nov. 1872 die Deákpartei dem Minister eine Genugtuung verweigert hatte, forderte L. 2. Dez. seine Entlassung. Er war seit 1871 Präsident der ungarischen Akademie, seit 1875 Mitglied des Oberhauses. L. schrieb in ungarischer Sprache: »Die materiellen Interessen unsers Vaterlandes« (Pest 1847–48, 2 Bde.); »Vom Staatsvermögen« (Ofen 1869, 2 Bde.); »Über unsre öffentlichen Angelegenheiten« (Pest 1873–75, 2 Bde.; der 2. Bd.: »Die Bankfrage«, übersetzt von Dux, das. 1876); »Graf Stefan Széchenyi« (deutsch von demselben, das. 1875). Seine Selbstbiographie gab M. Kónyi im Juniheft 1885 der Budapester »Szemle« heraus; seine Tagebücher sind noch nicht erschienen.

2) Elemér, Graf, geb. 23. Aug. 1863 in Bodrog-Olaszi (Komitat Zemplén), studierte in Sáros-Patak, betrat die diplomatische Laufbahn und war als Attaché bei mehreren österreichisch-ungarischen Gesandtschaften tätig. Am 22. März 1900 ehelichte er in Miramare Stephanie, die Witwe des Kronprinzen Rudolf von Österreich (s. Rudolf). L. ist k. u. k. Kämmerer und Mitglied des ungarischen Oberhauses.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 707.
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