Leichenalkaloide

[359] Leichenalkaloide (Kadaveralkaloide, Leichenbasen, Ptomaïne), organische Basen, die in Leichenteilen und in verschiedenen Fäulnisgemischen als Stoffwechselprodukte von Bakterien vorkommen. Die L. haben große Ähnlichkeit mit Pflanzenalkaloiden und verhalten sich gegen höhere Organismen teils indifferent, teils wie starke Gifte (Leichengifte). Das erste Ptomain wurde 1865 von Marquardt aus faulenden Leichenteilen abgeschieden; 1869 isolierten Zülzer und Sonnenschein aus faulenden Flüssigkeiten das erste kristallisierbare Ptomain. Schon 1866 hatten Bence Jones und Dupré in allen Organen, Geweben und Flüssigkeiten des menschlichen und tierischen Körpers eine alkaloidartige Substanz (»animalisches Chinoidin«) gefunden, und in der Folge wurden mehrfach Ptomaine in frischen Leichenteilen nachgewiesen, häufig aber ergaben Untersuchungen frischer Leichenteile durchaus keine basischen Substanzen. Die Befunde waren speziell für die gerichtliche Chemie von großer Bedeutung, insofern sie zu äußerster Vorsicht mahnten, um nicht vermeintliche Pflanzengifte zu finden, wo tatsächlich L. vorlagen. Zu den Ptomainen rechnet Brieger das Cholin, Neurin, Muskarin, die Methyl-, Äthyl-, Propyl- und Butylamine, Neuridin, dann Putrescin (Tetramethylendiamin), Kadaverin (Pentamethylendiamin), Tetanotoxin, Tetanin, Mytilotoxin, Mydatoxin, Gadinin, Typhotoxin. Vgl. Öffinger,[359] Die Ptomaine (Wiesb. 1885); Brieger, Über Ptomaine (Berl. 1885–86, 3 Tle.); Guareschi, Einführung in das Studium der Alkaloide (deutsch von Kunz-Krause, das. 1896–97).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 359-360.
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