Leuchtpilze

[472] Leuchtpilze. Schon Aristoteles kannte das Leuchten toter Seefische und des Schlachtfleisches; letztere Erscheinung wurde bereits in älterer Zeit, z. B. von Fabricius ab Aquapedente 1592, von Bartholinus 1646, von Robert Boyle und Beal 1672 und 1676 u.a. genauer beschrieben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß das Leuchten von Fisch und Fleisch durch das Auftreten phosphoreszierender Bakterien (Photobakterien, Leuchtspaltpilze, Leuchtbakterien) bedingt wird, und daß auch das Leuchtendes Meerwassers zum Teil durch Leuchtbakterien entsteht. Micrococcus phosphoreus, die bei uns überall spontan auf dem Fleisch der Schlachttiere auftretende Leuchtbakterie, tritt in Kokken- und Stäbchenform auf und ist unbeweglich. Von zahlreichen andern, meist den Gattungen Bacterium und Microspira angehörigen Leuchtbakterien, besonders von den im Meerwasser lebenden, sind bewegliche Zustände beobachtet worden. Sie gedeihen nur gut, wenn der Nährboden einige Prozente Kochsalz neben Pepton und geringen Mengen von Zuckerwasser enthält, und verlieren das Leuchtvermögen, wenn der Glukosegehalt über 2 Proz. steigt. Ihr Wachstum kann bei geeigneter Kultur monatelang fortdauern, ohne daß sie leuchten. Durch die den Seetieren entnommenen Bakterien läßt sich das Leuchten in jeder Art von Schlachtfleisch willkürlich hervorrufen. Auch wurden die Leuchtbakterien lebenden Tieren, wie Flohkrebsen, Meerasseln etc., eingeimpft, die dann ebenfalls mit weißlichem oder grünlichem Licht phosphoreszierten, aber nach einiger Zeit zugrunde gingen. Durch Erwärmung bis zu 38–45° wird die Phosphoreszenz aufgehoben, ebenso durch Abkühlung unter Null. Sie findet ferner nur bei Gegenwart von Sauerstoff statt, der sich dabei auch in einem an die Bakterien gebundenen Zustande befinden kann.

Eine merkwürdige Art wurde auf lebenden Bohrmuscheln beobachtet, deren Leuchtvermögen schon den Alten bekannt war. Im letztern Falle liegt eine Symbiose zwischen der Muschel und dem Leuchtorganismus vor, indem erstere den für die Bakterien günstigsten Nährboden bildet. Auch die zu den Akalephen gehörende Leuchtqualle (Pelagia noctiluca) soll in ihrem Schleim einen Leuchtorganismus beherbergen. Gelegentliches, durch phosphoreszierende Bakterien verursachtes Leuchten wurde auch bei einer Reihe von binnenländischen Tieren, wie Maulwurfsgrillen, Flohkrebsen, Flußkrebsen, Larven der Schwammücke, Cyclops, Ceratium u.a., beobachtet. Auch Ausscheidungen des menschlichen Körpers, wie Harn, Speichel, Eiter, Milch, Schweiß u. dgl., können unter Umständen im Dunkeln leuchten. Für Haussäugetiere und den Menschen scheint der Genuß von gekochtem oder gebratenem Fleisch, wie z. B. Wildbret, das früher geleuchtet hat, keine übeln Folgen zu haben, sofern dasselbe im übrigen frei von Ptomaïnen ist.

Unter den höhern Pilzen (Eumyceten) sind besonders die auf faulenden Baumstämmen wachsenden Mycelien und Fruchtkörper einiger Arten von Agaricus, z. B. A. olearius in Südeuropa, A. Gardneri in Brasilien, A. igneus und A. noctilucens auf den Ostindischen Inseln, mit Selbstleuchtvermögen ausgestattet. Bei uns tritt letzteres bei den Mycelien von Agaricus melleus und Xylaria hypoxylon besonders im Zustande der Rhizomorphenbildung und bei Agaricus tuberosus und A. cirrhatus an den sogen. Sklerotien auf. Die Phosphoreszenz der Rhizomorphen wurde schon 1796 von Freyesleben in den Gruben von Freiberg, die der Sklerotien zuerst durch Ludwig beobachtet. Letzterer Forscher fand im Spektrum des von Agaricus melleus ausgesendeten Lichtes nur Strahlen von Gelb bis Grün, bei Xylaria hypoxylon von Grün bis Blau. Das Leuchten des faulen Holzes wird ausschließlich durch die darin wuchernden Mycelien der genannten Pilze hervorgerufen. Vgl. Phosphoreszenz.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 472.
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