Li-tai-pe

[611] Li-tai-pe, der größte chines. Lyriker, geb. 698 zu I-tschou in der Provinz Sse-tschuen, gest. 762 zu Tang-tu in Kiang-nan. Mit 20 Jahren graduiert, begann er alsbald ein unstetes Wanderleben, ohne sich um ein Amt zu bewerben; seine Gedichte machten ihn rasch berühmt. 744 begab er sich nach Tschaugugan und fand die Gunst des Kaisers Ming-hoang (713–756), der ihn zum Mitgliede der Han-lin-Akademie ernannte. Intrigen jedoch verleideten ihm den Hof. Er wurde Taoist und führte wieder sein abenteuerliches Vagabundenleben. Der Sturz Ming-hoangs verwickelte auch ihn in eine Verschwörung, und er wurde 758 zum Tode verurteilt, dann nach Ye-liang verbannt, 759 jedoch völlig begnadigt. L. war der bedeutendste Dichter der glänzenden Literaturepoche unter der Dynastie Tang (618–906); er schrieb Naturschilderungen, Kriegsgedichte, Trinklieder von eigentümlich pessimistischer Färbung, zarte Frauenlieder und Elegien aus der Verbannung, alles in einer edlen, feinziselierten Sprache und von hoher Originalität. Viele Lieder werden bis heute in China allgemein gesungen. An Ruhm und Popularität kommt ihm nur sein Zeitgenosse und Freund Tu-su (s. d.) gleich. Kaiser Kien-lung ließ seine sämtlichen Gedichte mit großem kritischen Apparat in 34 Heften herausgeben (1759), eine Ausgabe, die immer neu gedruckt wird; das sehr verbreitete »Tang-schi«, eine Anthologie von Gedichten aus der Tang-Zeit, enthält eine Auslese seiner berühmtesten Stücke. Übersetzungen findet man bei d'Hervey-Saint-Denys, Poésies de l'époque des Thangs (Par. 1862), Herbert A. Giles, Chinese poetry (Lond. 1898), A. Forke, Blüten chinesischer Dichtung (Magdeb. 1899). Die erste Sonderausgabe einer reichhaltigern Auslese aus Li-tai-pes Gedichten in deutscher Übersetzung besorgte Otto Hauser (Leipz. 1906). Zur Biographie vgl. außerdem K. A. Florenz, Beiträge zur chinesischen Poesie (in den »Mitteilungen« der Deutschen Ostasiatischen Gesellschaft in Tokio, Bd. 5, Yokohama 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 611.
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