Mykēnä

[338] Mykēnä, uralte Stadt im innersten, nördlichsten Winkel der Ebene von Argos, angeblich von Perseus erbaut, in frühester Zeit als Residenz des Agamemnon zugleich Hauptstadt eines kleinen achäischen Reiches. Obgleich stark befestigt, wurde sie doch 463 v. Chr. von den Argeiern erobert und zerstört. – Ruinen der Stadt bei dem Dorfe Charvati, unfern von Argos, Reste der kyklopischen Ringmauer mit dem berühmten Löwentor (s. Tafel »Bildhauerkunst II«, Fig. 8, und Tafel »Architektur III«, Fig. 2 u. 3) und ein unterirdisches Kuppelgebäude von bienenkorbähnlicher Form, das ursprünglich für eine Schatzkammer gehalten wurde (»Schatzhaus des Atreus«), in Wahrheit aber ein Grabgewölbe ist, waren schon seit der wissenschaftlichen Expedition der Franzosen nach dem Peloponnes (1822) genauer bekannt. Doch haben erst die 1876 und 1877 von Schliemann veranstalteten und in spätern Jahren von der Archäologischen Gesellschaft in Athen fortgesetzten Ausgrabungen eine genügende Anschauung von der alten Königsburg und den zu ihr gehörigen Bauanlagen (Gräbern etc.) ermöglicht (s. den Plan). Die Entdeckungen bestehen in der Ausgrabung mehrerer Kuppelgräber, von Massengräbern, Mauern etc. und in einer großen Zahl von Architekturfragmenten, Grabstelen, Terrakotten, Tongefäßen, goldenen Masken (Abbildungen bei Artikel »Maske«), Ringen mit geschnittenen Steinen (s. Tafel »Ringe«, Fig. 5), Schmucksachen aus Goldblech, die in den Gräbern gefunden worden sind.

Plan von Mykenä.
Plan von Mykenä.

Diese Gräberfunde, die in andern auf dem Peloponnes und den griechischen Inseln gemachten (s. Tafel »Bildhauerkunst II«, Fig. 7) ihresgleichen finden, sind Produkte einer ziemlich hochentwickelten Kunst, die von den alten Kulturländern Mesopotamiens ausgegangen, aber in Kleinasien und Phönikien mit neuen Formen und Typen bereichert und stilistisch beeinflußt worden ist (s. Tafel »Ornamente I«, Fig. 20–22). Sie gehören der Zeit vor der Dorischen Wanderung (1000 v. Chr.) an und sind nach Athen in das Nationalmuseum gebracht worden. Die Kenntnis eines frühen Zeitalters der griechischen Geschichte hat von den Schliemannschen Entdeckungen in M. ihren Ausgang genommen; es heißt daher das mykenische (s. Griechenland, S. 296). Vgl. Schliemann, Mykenä (Leipz. 1878); Steffen, Karten von M. (Berl. 1884, 2 Blatt); Furtwängler und Löschke, Mykenische Vasen (das. 1886, mit 49 Tafeln); Schuchhardt, Schliemanns Ausgrabungen in Troja, Tiryns, M. etc. (2. Aufl., Leipz. 1891); Tsuntas, M. und die mykenische Kultur (neugriech., Athen 1893); Kluge, Die Schrift der Mykenier (Köthen 1897); H. R. Hall, Oldest civilisation of Greece; studies of Mycenaean age (Lond. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 338.
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