Obmann

[877] Obmann, derjenige, dem die Leitung und Führung einer Versammlung oder einer Körperschaft eingeräumt ist, z. B. der Vorsitzende eines Gemeindekollegiums. Im schiedsrichterlichen Verfahren ist der O. der auf Grund des Schiedsvertrags von den durch die Parteien ernannten Schiedsrichtern erwählte Dritte, dessen Stimme den Ausschlag geben soll. Auch ist nicht selten bei der Erhebung von Taxen und bei der Abgabe sonstiger Gutachten die Ernennung eines Obmanns vorgesehen, der bei Stimmengleichheit oder dann den Ausschlag gibt, wenn die Sachverständigen sich nicht einigen können. Im Strafprozeß ist der O. derjenige unter den Geschwornen, der im einzelnen Fall die Beratung und Abstimmung der Geschwornen leitet und dieselben nach außen, namentlich bei Kundgebung des Wahrspruchs, vertritt. Sobald die Geschwornen in ihr Zimmer eingetreten sind, wird der O. von ihnen aus ihrer Mitte mittels einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Die deutsche Strafprozeßordnung (§ 304) verlangt schriftliche Abstimmung bei dieser Wahl, die österreichische nicht. Bei Stimmengleichheit entscheidet in Deutschland das höhere Lebensalter, während in Österreich diesbezüglich nichts bestimmt ist. Der O. hat den Spruch der Geschwornen, d.h. die Antwort auf die einzelnen Fragen, die an sie gestellt sind, niederzuschreiben, den Wahrspruch zu unterzeichnen und in öffentlicher Sitzung die Kundgebung desselben in vorschriftsmäßiger feierlicher Form zu bewirken, wobei Frage und Antwort jeweilig verlesen werden. Vgl. Deutsche Strafprozeßordnung, § 304 ff.; Gerichtsverfassungsgesetz, § 198 ff.; Österreichische Strafprozeßordnung, § 129 ff., 326.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 877.
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